Belfast Regierung in Nordirland droht nach Minister-Rücktritt der Kollaps

Belfast · Nordirland steckt in der größten Krise seit mehr als einem Jahrzehnt. Die machtteilende Regionalregierung steht kurz vor dem Zusammenbruch, nachdem Ministerpräsident Peter Robinson von seinem Amt zurückgetreten ist. Zusammen mit Robinson haben seine Ministerkollegen von der probritischen "Democratic Unionist Party" (DUP) ihr Amt niedergelegt. Lediglich die DUP-Finanzministerin Arlene Foster hält noch ihren Posten und agiert dazu kommissarisch als Ministerpräsidentin. Damit soll - zumindest vorläufig - der völlige Kollaps der Regionalregierung verhindert werden. Tritt auch Foster zurück, muss gemäß des Karfreitagsabkommens, das die politische Machtteilung in der konfessionell zerstrittenen Provinz regelt, die Regionalregierung suspendiert werden, und London würde wieder die Direktherrschaft der Provinz übernehmen. Als das 2002 letztmalig passierte, hatte es fünf Jahre gedauert, bevor wieder eine machtteilende Regierung eingesetzt werden konnte.

Der Grund für die Regierungskrise liegt im Zusammenbruch des Vertrauens zwischen den unionistischen Parteien und der pro-irischen Partei Sinn Fein. Sinn Fein, die vier Minister im Belfaster Kabinett stellt, wird beschuldigt, wegen ihrer Verbindung zur Untergrundorganisation "Irisch-Republikanische-Armee" (IRA) ihr Bekenntnis zu ausschließlich demokratischen und friedlichen Mitteln gebrochen zu haben. Auslöser war eine Bluttat in Belfast: Kevin McGuigan, neunfacher Vater und Mitglied der IRA, war Mitte August vor seinem Haus erschossen worden. Die Polizei geht davon aus, dass er Opfer einer "IRA"-internen Racheaktion wurde. Nordirlands Polizeichef George Hamilton erklärte, dass Teile der IRA weiter fortbestünden, wenn auch nicht als terroristische, so doch als kriminelle Organisation. Zwar gäbe es keine Beweise, dass der Mord von der IRA-Führung genehmigt worden sei, sicher wäre aber, dass IRA-Mitglieder beteiligt wären.

Damit wurde es offiziell: Die IRA existiert immer noch. Lange hatte man um des Friedensprozesses willen an der Fiktion festgehalten, dass sich die Organisation nach ihrer Selbstentwaffnung im Jahr 2005 aufgelöst habe. Immerhin war dies die kritische Voraussetzung für die unionistischen Parteien gewesen, mit der republikanischen Sinn Fein, dem politischen Arm der IRA, die Macht zu teilen. Sinn Fein selbst hat immer dementiert, dass die IRA weiterhin existiere. Der Krieg sei vorbei, erklärte Sinn-Fein-Chef Gerry Adams, die IRA habe "die Bühne verlassen". Aber nicht das Theater, antworteten ihm seine Kritiker.

Die britische Nordirland-Ministerin Theresa Villiers will für nächste Woche All-Parteien-Gespräche ansetzen, um die Krise zu lösen. Doch die Situation ist verfahren. Die unionistischen Parteien trauen Sinn Fein nicht, Sinn Fein dagegen verneint stur die Existenz der IRA. Dazu kommt, dass das gemeinsame Regieren schon seit Monaten nicht funktioniert, weil Sinn Fein verhindert, dass Kürzungen bei den Sozialausgaben umgesetzt werden. Villiers denkt jetzt darüber nach, wieder die "Independent Monitoring Commission" einzusetzen, die bis 2011 paramilitärische Aktivitäten in Nordirland überwachte.

(RP)
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