Besuch in Brüssel Erdogan - ungeliebter Gast beim EU-Gipfel

Ankara/Brüssel · Zum ersten Mal seit Jahren nimmt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan an diesem Dienstag an einem EU-Gipfel teil.

Recep Tayyip Erdogan: Das ist der türkische Staatspräsident
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Das ist Recep Tayyip Erdogan

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Eigentlich sollten in Brüssel kleinere Fortschritte bei der türkischen Bewerbung und im türkisch-europäischen Verhältnis gefeiert werden — so hatten sich beide Seiten in der Flüchtlingspolitik geeinigt. Doch Erdogans Umgang mit der Korruptionsaffäre hat die Stimmung verhagelt.

Die EU sieht mit Sorge, dass Erdogan beim Vorgehen gegen seine angeblichen Gegner an die Grundsätze des Rechtsstaates rührt. Erdogan, durch Bestechungsvorwürfe gegen mehrere Ex-Minister unter Druck, sieht sich als Zielscheibe einer politischen Attacke regierungsfeindlicher Kräfte im Staatsapparat. Er lässt Staatsanwälte und Polizisten versetzen und versucht, sich im Rahmen einer Gesetzesänderung die Kontrolle über die Besetzung von Richter- und Staatsanwaltsposten zu sichern.

Eigentlich sollte es endlich wieder vorangehen

Die Opposition ist entsetzt, die EU zeigt sich besorgt. Doch Erdogans Regierung weist die Kritik aus Brüssel zurück und fordert die Europäer auf, "einseitige und ungeduldige Stellungnahmen" zu unterlassen. Wie schon bei den Gezi-Protesten im vergangenen Jahr verbittet sich Erdogan jede Einmischung.

Dabei hatte der Premier 2014 als "Jahr der EU" ausgerufen. Nach langem Stillstand soll es wieder vorangehen in der türkischen EU-Bewerbung. Nach der kürzlichen Einigung zwischen Brüssel und Ankara auf ein Abkommen in der Flüchtlingspolitik und einer Vereinbarung über Gespräche zur Visumspflicht für Türken in der EU waren beide Seiten optimistisch. Zum ersten Mal seit Langem machte sich ein wenig EU-Zuversicht breit in Ankara.

An Stillstand ist keiner interessiert

In Brüssel trifft Erdogan unter anderem mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, Kommissionschef José Manuel Barroso und dem Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz. Zuletzt hatte Erdogan vor fünf Jahren an einem EU-Gipfel teilgenommen. Heute soll es nach der ursprünglichen Planung darum gehen, die Wege zu weiteren Fortschritten in den Beziehungen zu besprechen. Auch wenn die EU die Frage, ob sie die Türkei am Ende aufnehmen will, immer noch nicht geklärt hat, sind alle Beteiligten der Meinung, dass der Stillstand überwunden werden sollte.

Doch diese positiven Vorzeichen des Erdogan-Besuches werden vom Streit um die türkische Korruptionsaffäre überlagert. Die Gesprächspartner dürften den Gast aus Ankara auffordern, bei seiner geplanten Justizreform auf dem Boden der EU-Grundsätze zu bleiben und unabhängige Untersuchungen der Vorwürfe zuzulassen.

(RP)
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