Istanbul Korruptionsskandal erreicht Erdogans Familie

Istanbul · In Telefongesprächen soll der türkische Premier seinen Sohn aufgefordert haben, Geld vor Ermittlern zu verstecken.

Ausschreitungen bei Demonstrationen gegen Erdogan
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Ausschreitungen bei Demonstrationen gegen Erdogan

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In der Türkei ist es erneut zu schweren Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und der Polizei gekommen. In Istanbul, Ankara, Izmir und anderen Städten hätten am Dienstagabend Hunderte demonstriert, berichtete der Sender CNN Türk. Auf Bildern war zu sehen, wie die Polizei Tränengas und Wasserwerfer einsetzte. Demonstranten warfen Steine und zündeten Mülltonnen an. Protestierer skandierten Parolen wie "Überall ist Bestechung, überall ist Korruption".

Der Volkszorn kochte erneut hoch, weil erstmals seit Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan persönlich ins Zwielicht geraten ist. Telefonmitschnitte belegen nach Ansicht der Opposition, dass Erdogan und sein Sohn Bilal große Geldsummen — in einigen Berichten ist von einer Milliarde Dollar (umgerechnet rund 728 Millionen Euro) die Rede — vor der Staatsanwaltschaft versteckten. Die politischen Gegner des Premiers forderten Erdogans Rücktritt sowie juristische Schritte gegen den 59-Jährigen.

Fünf Telefonate von insgesamt etwa elf Minuten Länge zwischen Erdogan und seinem Sohn wurden angeblich am 17. und 18. Dezember 2013 aufgezeichnet. Am Morgen des 17. hatten Istanbuler Staatsanwälte im Rahmen von Korruptionsermittlungen mehrere Dutzend Verdächtige festnehmen lassen, darunter die Söhne dreier Minister. In den Telefonmitschnitten trägt Erdogan seinem Sohn von Ankara aus auf, eine nicht näher genannte Geldsumme aus seinem Haus in Istanbul verschwinden zu lassen. Den Mitschnitten zufolge sollte Bilal das Geld bei befreundeten Geschäftsleuten parken. Mehrmals weist Erdogan seinen Sohn zurecht, er solle am Telefon nicht offen über Geldsummen sprechen. Erdogans Stimme klingt müde und ist zeitweise kaum zu verstehen.

Ein ehemaliger enger Berater des Ministerpräsidenten, Ex-Vizepremier Abdüllatif Sener, sagte, er erkenne die Stimme seines früheren Chefs genau. Erdogan selbst sprach von "schmutzigen Montagen" mit dem Ziel, die Regierung zu diskreditieren. Trotz des Dementis aus Ankara geht die größte Oppositionspartei, die säkulare CHP, von der Echtheit der Mitschnitte aus.

Wer Erdogan abgehört haben soll, blieb unklar. Die Staatsanwaltschaft in Ankara nahm Ermittlungen auf. Regierungstreue Zeitungen hatten am Montag gemeldet, Istanbuler Staatsanwälte hätten Erdogan und 7000 andere illegal abgehört. Angeblich handelten die Juristen im Auftrag der mit Erdogan verfeindeten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen.

(RP)
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