Brüssel Raues Klima vor der nächsten Brexit-Runde

Brüssel · EU-Unterhändler Michel Barnier verlangt von London, dass Zahlungsverpflichtungen anerkannt werden.

Kommenden Montag gehen die Brexit-Verhandlungen so richtig los. Nach dem eintägigen Auftakt im Juni, bei dem die britische Seite immerhin den Vorschlag zur zeitlichen Abfolge der Gespräche seitens der EU akzeptiert hat, soll nun eine ganze Woche lang verhandelt werden. Im Vorfeld deutet sich eine deutliche Klimaverschlechterung an. Boris Johnson, britischer Außenminister und ewiger Provokateur, hatte kürzlich im Hinblick auf die offenen Rechnungen Londons getönt, Brüssel könne "pfeifen gehen". Das soll so viel heißen wie: Es gibt kein Geld. Als der Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, gestern in Brüssel vor die Kameras trat, blieb er im Sprachbild: Er vernehme kein Pfeifen, er höre nur das Ticken der Uhr. Damit spielte er darauf an, dass Ende März 2019 Großbritannien definitiv raus aus der EU ist. Bis dahin müssten die Verhandlungen beendet sein.

Barnier zieht die Daumenschrauben an. Die EU, so seine Ansage, werde keine weiteren Gespräche mit London über die Beziehungen führen, wenn die Gegenseite nicht anerkenne, dass es gewisse Zahlungsverpflichtungen gibt. Der Franzose ließ durchblicken, wie verärgert er ist: "Wie will man über die Gestaltung der zukünftigen Beziehungen mit London reden, wenn es kein Vertrauen gibt?" Wie wolle man über eine Zusammenarbeit bei den Themen Handel, Sicherheit, Verteidigung oder Universitäten überhaupt nur reden, ohne dass man der Gegenseite über den Weg traue?

Barnier und sein Team wollen London nächste Woche deutlich machen, dass es für den Austrittskandidaten eine rechtliche Verpflichtung gibt, all die Programme weiter zu bezahlen, die die EU in der Vergangenheit mit London beschlossen hat. Die EU hat Listen erstellt, auf denen die Zahlungsverpflichtungen verzeichnet sind - und die bis ins Jahr 2020 reichen. Außerdem will Brüssel von London Geld für die künftigen Pensionszahlungen von EU-Beamten. Es gehe nicht um eine Austrittsrechnung und nicht um eine Strafgebühr, es handele sich um nichts anderes als um die Ablösung der eingegangenen finanziellen Verpflichtungen.

Während Barnier, ein langjähriger EU-Kommissar, bisher immer recht zurückhaltend über die Verhandlungen gesprochen hat, wurde er diesmal sehr deutlich: Es gebe große Differenzen zu London, was den zukünftigen Status von 3,2 Millionen EU-Bürgern auf der Insel angehe. Der Vorschlag der Briten laufe darauf hinaus, dass heute in Großbritannien ansässige EU-Bürger ihr Leben nicht so weiterführen könnten wie bisher. Brüssel verlange aber, dass die EU-Bürger im Vereinigten Königreich exakt die gleichen Rechte hätten wie Briten auf dem Kontinent. Das Angebot, das die Gegenseite unterbreitet habe, sehe diese Gegenseitigkeit aber nicht vor. Unterschiedliche Vorstellungen gebe es auch beim Thema Familiennachzug.

Barnier trifft heute den britischen Oppositionsführer, Labour-Chef Jeremy Corbyn, sowie Regionalpolitiker aus Wales und Schottland. Er machte aber klar: "Verhandelt wird selbstverständlich nur mit der britischen Regierung." Allerdings macht man sich in Brüssel immer mehr Sorgen, ob Regierungschefin Theresa May noch sicher im Sattel sitzt.

(RP)
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