Gescheiterter Putsch in der Türkei Jetzt blühen die Verschwörungstheorien

Berlin · Erdogan und der islamische Prediger Fethullah Gülen schieben sich gegenseitig die Verantwortung für den Aufstand zu.

Wie die Welt-Politik auf den Putschversuch reagierte
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Foto: afp

Der gescheiterte Putsch von Teilen des türkischen Militärs gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft viele Fragen auf und lässt Raum für Gerüchte und Verschwörungstheorien. Wahrscheinlich werden erst die Historiker rückblickend die Ereignisse und ihre Hintergründe aufklären können. Die wichtigsten offenen Fragen:

Dafür gibt es keine direkten Belege. Aber die Stümperhaftigkeit, mit der das Militär vorgegangen ist, wirft zumindest die Frage auf, wie ernst der Putschversuch gemeint war. Als die Panzer in Istanbul losrollten, hielt sich Erdogan in einem Hotel in Marmaris an der Ägäis zum Urlaub auf. Dieses Hotel wurde erst Stunden nach seiner Abreise von seinen Gegnern bombardiert. Bei früheren erfolgreichen Militäraufständen in der Türkei sorgten die Uniformierten jeweils als Erstes dafür, die Machthaber auszuschalten. Erstaunlich ist auch, dass Erdogan überhaupt nach Istanbul fliegen konnte, obwohl doch die Luftwaffe Drahtzieher des Putsches gewesen sein soll. Sie hätte zumindest in der Lage sein sollen, Erdogans Landung in Istanbul zu verhindern.

Plausibel erscheint, dass Erdogan den Putsch nicht selbst angezettelt hat, aber von den Plänen Wind bekam. Dafür spricht, dass schon kurz bevor die Panzer losrollten, Ankara seine Beamten in den Dienst zurückbeorderte. Dann könnten die Putschisten unter erheblichem Druck gestanden haben loszuschlagen, was auch den ungünstigen Zeitpunkt für den Beginn des Aufstands erklärt. Frühere erfolgreiche Aufstände gingen nicht am späten Abend, sondern mitten in der Nacht los. Wenn die Putschisten also nach einem improvisierten Plan arbeiten mussten, dann erklärt dies auch in Teilen ihr ungeschicktes Vorgehen.

Die türkische Führung beschuldigt den 1999 nach Amerika emigrierten Prediger Fethullah Gülen, hinter dem Putsch zu stecken. Gülen wies die Anschuldigungen empört zurück und lenkte den Verdacht auf den türkischen Präsidenten, der möglicherweise selbst den Putschversuch angezettelt habe. Früher waren Gülen und Erdogan, die beide einer konservativen Auslegung des Islam anhängen, Verbündete. Feinde sind sie, seitdem Gülen 2013 die Niederschlagung der friedlichen Proteste im Istanbuler Gezi-Park kritisierte. Aus seinem Exil steuert Gülen Bildungseinrichtungen und Wohltätigkeitsorganisationen, was seiner zwei Millionen Anhänger starken Bewegung Einfluss sichert. In der Türkei wurde sie zur Terror-Organisation erklärt.

(qua)
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