Istanbul Putin und Erdogan schaffen Fakten

Istanbul · Die russisch-türkische Versöhnung nützt beiden Seiten und schadet den USA.

Die neue Partnerschaft zwischen der Türkei und Russland schafft Fakten in Syrien. Nach Einschätzung von Beobachtern sinkt der westliche Einfluss auf die Ereignisse in dem Bürgerkriegsland durch die neue Allianz weiter.

Mit dem ersten Besuch Putins in der Türkei seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türken im November 2015 besiegelten Ankara und Moskau diese Woche ihre Wiederannäherung - und den Bau der Gas-Pipeline Turkish Stream, die russisches Erdgas in die Türkei und nach Europa transportieren soll. Auch an russischen Luftabwehrsystemen sei der Nato-Staat Türkei interessiert, hieß es.

Erdogan habe in der Zeit der Krise mit Moskau in den vergangenen Monaten eingesehen, dass die Türkei in Syrien gegen Russland nichts ausrichten könne, sagt Behlül Özkan, Politologe an der Istanbuler Marmara-Universität. Die Versöhnung zahlte sich sofort aus: Die türkische Militärintervention in Syrien im August hätte nie ohne Genehmigung Russlands, die entscheidende Militärmacht dort, stattfinden können, meint Özkan. Im Gegenzug sei Erdogan offenbar bereit, die Einnahme Aleppos durch syrische Regierungstruppen hinzunehmen.

Das Zweckbündnis mit Russland gibt Erdogan auch die Möglichkeit, im Verhältnis mit den USA Druck zu machen. So erscheint die Wiederannäherung als logischer Schritt zur Wahrung türkischer Interessen: Die USA sind in Nahost-Fragen "auf dem Rückzug", wie Joshua Landis formuliert, Nahost-Experte an der Universität Oklahoma. Dagegen schicke sich Putins Russland an, zum entscheidenden Akteur in der Region zu werden, sagt der türkische Politologe Özkan.

Völlig sorgenfrei kann Erdogan allerdings nicht sein. Bisher hatte sich die Türkei in eine Phalanx sunnitischer Staaten unter Führung Saudi-Arabiens eingereiht, die Assads Sturz und ein Gegengewicht gegen den wachsenden Einfluss der schiitischen Großmacht Iran anstreben. Wenn Erdogan nun Vereinbarungen mit Assads Partner Russland trifft, dann dürfte das am Golf erhebliche Irritationen auslösen.

(RP)
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