Moskau Putin macht Witze über Proteste

Moskau · Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin hat eine Vorliebe für derbe Scherze. Diesmal traf es die Demonstranten, die vor wenigen Tagen bei landesweiten Kundgebungen Neuwahlen gefordert hatten. In einer vom Fernsehen live übertragenen Bürgerfragestunde nannte Putin die Demonstrationen "normal" und witzelte derb über das Zeichen des Protestes, das die Teilnehmer trugen.

Die weißen Bänder habe er zunächst für eine Anti-Aids-Kampagne gehalten: "Als ich bei denen so was auf der Brust sah – pardon, da habe ich gedacht, das ist ein Verhütungsmittel, das sie sich angesteckt haben. Aber warum auch noch ausgerollt?" Aber der Kampf für einen gesunden Lebensstil sei ja schließlich gerade für junge Leute aktuell, schob er grinsend hinterher.

Es war eine zynische Mischung aus Hohn und scheinbarer Toleranz, mit der sich Putin nach tagelangem Schweigen zu den größten Massenprotesten der vergangenen 20 Jahre äußerte. "Ich habe im Fernsehen meist junge, aktive Leute gesehen, die klar ihre Position ausdrücken", sagte er über die Proteste, "wenn das ein Ergebnis des Putin-Regimes ist, freut mich das."

Russlands starker Mann wiederholte seinen Vorwurf, die Demonstranten seien vom Ausland bezahlt worden. "Ich weiß, dass Studenten Geld gezahlt wurde", sagte er: "Naja, ist ja auch gut, wenn sie sich ein bisschen dazuverdienen."

In der Sache blieb Putin hart. Das Wahlergebnis (mehr als 49 Prozent für die Kremlpartei Geeintes Russland) reflektiere die wahren Kräfteverhältnisse im Land, befand der Premier. Die Opposition sage immer, dass die Abstimmung ungerecht sei. "Das passiert überall, in allen Ländern", behauptete Putin. Allerdings wolle er bei der Präsidentenwahl im März Internet-Kameras in allen 96 000 Wahllokalen des Landes aufstellen lassen, damit Fälschungsversuche festgehalten werden können. Putin kandidiert 2012 wieder für den Posten des Kremlchefs. Es gilt als sicher, dass er die Wahl gewinnt.

Viereinhalb Stunden stellte sich Putin den Fragen der Bürger – wie immer eine grandios inszenierte Show mit Live-Schaltungen in alle Landesteile. Der 59-Jährige ließ sich vom Staatsfernsehen diesmal nicht so in Watte packen wie früher.

"Warum wurden Sie im Stadion ausgepfiffen?", fragte ein Bürger und berührte damit ein heikles Thema. Noch vor der Wahl war Putin bei einer Kampfsportveranstaltung mit Pfiffen und Buhrufen empfangen worden – ein erstes Zeichen, dass seine Popularität abnimmt. Einen weiteren Auftritt im Stadion hatte Putin danach hastig abgesagt. Jetzt gab er sich souverän: "Ich habe keine Pfiffe gehört. Aber vielleicht hat meine Physiognomie, die so oft im Fernsehen zu sehen ist, im Ring für Unzufriedenheit gesorgt."

(RP)
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