Berlin Privatpatienten wechseln in die Gesetzliche

Berlin · Wegen der stark steigenden Prämien der privaten Krankenversicherung (PKV) wollen offenbar immer mehr Privatpatienten zurück in die gesetzliche Versicherung. Im vergangenen Jahr seien rund 68 000 Privatversicherte zur Techniker Kasse gewechselt. Das waren zwölf Prozent mehr als im Vorjahr, berichtet der "Spiegel". Bei der Barmer GEK landeten rund 27 600 ehemalige Privatpatienten, ein Anstieg um neun Prozent.

Auch die AOK Rheinland/Hamburg spürt den Trend. "Bei uns häufen sich die Anrufe von Privatversicherten, die zur AOK wechseln wollen", sagte Kassenchef Wilfried Jacobs unserer Zeitung. In dieser Häufung habe er Anfragen Privatversicherter noch nicht erlebt. Den meisten kann die Krankenkasse kein Angebot machen. Denn der Gesetzgeber hat den Wechsel deutlich erschwert. Zugang zur Gesetzlichen erhalten zunächst Privatpatienten, die arbeitslos werden. Angestellte, die mit ihrem Verdienst unter die Versicherungspflichtgrenze von jährlich 50 850 Euro rutschen und nicht älter als 55 Jahre sind, können ebenso wechseln. Mit diesen strengen Regeln will der Gesetzgeber verhindern, dass die Versicherten zur Privaten gehen, solange sie jung und gesund sind, und bei steigenden Beiträgen im Alter dann auf die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Kassen zurückgreifen.

In Deutschland ist etwa jeder zehnte Bürger privat versichert. Die Unternehmen haben seit Jahren mit erheblichen Kostensteigerungen durch medizinischen Fortschritt und eine hohe Inanspruchnahme der Leistungen zu kämpfen. Die gestiegenen Kosten geben sie in Form von Beitragserhöhungen an die Versicherten weiter.

Ein Sprecher des PKV-Verbandes räumte ein, dass es bei den Privaten überdurchschnittliche Prämiensteigerungen gebe. Im Durchschnitt lägen die Kostensteigerungen bei 4,5 Prozent. 45 Prozent der Privatversicherten hätten keine erhöhten Prämien hinnehmen müssen. Allerdings gibt es auch etliche Privatpatienten, deren Prämien jährlich im zweistelligen Prozentbereich gestiegen sind.

Die Zahlen der gesetzlichen Kassen bezeichnete der PKV-Sprecher als "nicht seriös". Eingerechnet seien nicht diejenigen, die aus dem gesetzlichen System zu den Privaten gingen. Diese Zahl falle seit Jahren zu Gunsten der Privaten aus.

SPD, Grüne und Linke würden die private Krankenversicherung am liebsten in einer Bürgerversicherung aufgehen lassen und damit faktisch abschaffen. Union und FDP sind dagegen. Der ehemalige liberale Gesundheitsminister Philipp Rösler hat das System der PKV sogar bewusst stabilisiert, indem er den Wechsel junger, gesunder Versicherter in die Privaten erleichtert hat. Außerdem half er den Versicherungsunternehmen, Kosten zu sparen: Im Zuge des Arzneimittel-Gesetzes legte er fest, auch die Privaten von den Einsparungen bei innovativen Medikamenten profitieren zu lassen.

(RP)
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