Streit um Haltung zu Österreich in Deutschland Portugals Präsident sagt Wien-Besuch ab

Berlin/Wien (AP/dpa). Die Sanktionen der Europäischen Union gegen die rechtskonservative Regierung in Österreich haben in Deutschland einen heftigen Streit zwischen Regierung und Opposition ausgelöst. Bundeskanzler Gerhard Schröder wies Kritik des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber am Vorgehen der rot-grünen Koalition am Montag mit scharfen Worten zurück. In Norderstedt sprach er von einer "Gemeinsamkeit zwischen Herrn Haider und Herrn Stoiber, die sich da auftut in den öffentlichen Erklärungen". Der portugiesische Staatspräsident Jorge Sampaio verzichtete derweil auf eine Teilnahme am Wiener Opernball und sagte seinen geplanten Staatsbesuch in Österreich ab.

Die CSU setzte ihre Proteste gegen den deutschen Kurs gegenüber Wien am Montag fort. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, forderte die Regierung auf, sich zu entschuldigen. Sie habe sich bei ihrem Vorgehen gegen die Koalition der konservativen ÖVP und der vom Rechtspopulisten Haider geführten FPÖ von "ideologisch verblendeten Gedanken" leiten lassen, erklärte er in Berlin. FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle nannte das Verhalten von Rot-Grün "hysterisch". Der bayerische Ministerpräsident Stoiber hatte Schröder und Außenminister Joschka Fischer bereits am Sonntagabend vorgeworfen, "überzogen vorgegangen zu sein".

Das Auswärtige Amt bezeichnete die Äußerungen der Oppositionspolitiker als "bemühten und billigen Versuch, aus einer ernsten Frage innenpolitisches Kapital zu schlagen". Stoiber, Glos und Westerwelle bewiesen damit, dass sie über den innenpolitischen Tellerrand nicht hinausschauen könnten, erklärte Sprecher Andreas Michaelis. Skeptisch äußerte sich die Grünen Vorstandssprecherin Gunda Röstel zur Wirksamkeit der EU-Sanktionen. Es bleibe abzuwarten, ob das dem Ziel, Haider zu schwächen, wirklich dienlich sei.

Der Konflikt zwischen Österreich und der Europäischen Union hat am Montag zur Absage eines für Anfang März vorgesehenen Wien-Besuchs des portugiesischen Staatspräsidenten Jorge Sampaio geführt. Portugal ist in diesem Halbjahr EU-Ratsvorsitzender und hatte die Erklärung veröffentlicht, in der Österreich diplomatische Konsequenzen für die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei (FPÖ) angekündigt wurden. Die neue österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner hat sich unterdessen von den Blockade-Drohungen Haiders gegen die EU distanziert. Haider kündigte eine Klage gegen den sozialdemokratischen Ex-Kanzler Viktor Klima an.

Sampaios Staatsbesuch in Österreich sei auf Wunsch Portugals "auf einen späteren Zeitpunkt verschoben" worden, berichtete die Kanzlei des österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil in Wien. Ein offizieller Grund dafür wurde nicht genannt. Eine Absage des vom 1. bis 3. März geplanten Besuchs hatte schon seit mehreren Tagen in der Luft gelegen. In der Vorwoche hatte Portugal mitgeteilt, die Vorbereitungen für den Besuch seien vorläufig gestoppt worden. Sampaio hätte auch als Ehrengast den Opernball am 2. März besuchen sollen, der diesmal Portugal gewidmet ist.Österreich will in der EU nicht blockierenDie neue österreichische Regierung werde Entscheidungen in den EU- Gremien nicht blockieren und die Erweiterung der Europäischen Union unterstützen, betonte Außenministerin Ferrero-Waldner am Montag im französischen Rundfunksender Europe 1. "Ich habe keinesfalls vor, das Vetorecht anzuwenden, weil dies überhaupt nichts bringt", sagte die ÖVP-Politikerin. Sie sei auch "entschieden" für eine Erweiterung der Europäischen Union.

Die EU-Kommission hat erneut bekräftigt, dass sie zu Österreich auch weiterhin ein völlig normales Arbeitsverhältnis hat. "Wir unterhalten normale Beziehungen zu Österreich. Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass Österreich das EU-Recht bricht", sagte der Sprecher. In Brüssel wurde sowohl in Kreisen der Behörde wie auch von Diplomaten erneut unterstrichen, dass die angekündigte Boykottdrohung der 14 EU-Partnerländer Österreichs wegen der FPÖ-Beteiligung an der Wiener Regierung zunächst keine Auswirkungen auf die Arbeit in den EU-Gremien haben sollte.

Haider begründete seine Klage gegen Klima damit, dass der Ex- Kanzler nicht zugeben wolle, der FPÖ einige Ministerposten angeboten zu haben. Klima hat Haiders Aussagen als Lüge zurückgewiesen. Er habe im Januar allen Parteien angeboten, Experten in ein SPÖ- Minderheitskabinett zu entsenden, betonte Klima.

Mit der Klage wolle er "die Wahrheit zu Tage fördern", sagte Haider. Er wiederholte auch seinen Vorwurf gegen Klima und die SPÖ, für die internationalen Proteste gegen die FPÖ-ÖVP-Regierung verantwortlich zu sein. Auch die Rolle, die Bundespräsident Thomas Klestil dabei gespielt habe, sollte vom österreichischen Nationalrat (Parlament) "im Detail geklärt werden", forderte Haider. Am Sonntag hatte Haider Klima und Klestil verdächtigt, "politischen Hochverrat" an Österreich begangen zu haben.

Am Sonntagabend hatten erneut mehrere tausend Menschen in Wien an einer Kundgebung gegen die neue rechtskonservative Regierung teilgenommen. Die Demonstranten marschierten von der Innenstadt zur Zentrale des österreichischen Fernsehsenders ORF, wo am Abend eine Diskussion mit Vertretern von Regierung und Opposition stattgefunden hatte. Das Fernsehgebäude wurde von Hunderten Polizeibeamten abgeriegelt. Für die kommenden Tage sind weitere Kundgebungen geplant. Schäuble: Haider ist ein skrupelloser PopulistFür den CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble ist der FPÖ-Chef Jörg Haider "weniger ein Nazi als vielmehr ein Populist ohne Skrupel, der jede beliebige Position vertritt". Dies meinte Schäuble in einem Gespräch mit der französischen Tageszeitung "Le Monde" (Dienstag-Ausgabe). Seiner Meinung nach wird man in einigen Monaten feststellen, "dass die Befürchtungen grundlos waren".

Eine mögliche Spaltung der christdemokratischen Fraktion im Europaparlament wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ in Wien hält Schäuble für unwahrscheinlich. "Die deutschen CDU-Abgeordneten im Europaparlament würden einen Ausschluss der österreichischen Christdemokraten der ÖVP nicht unterstützen", sagte Schäuble. Er betonte, dass die Regierungen in Berlin und Paris in der Einschätzung der neuen Regierung in Wien "auf einer Linie liegen". FPÖ-Ministerin wird zu EU-Treffen eingeladenUngeachtet der EU-Sanktionen gegen die Regierung in Österreich wird die Europäische Union die österreichische Sozialministerin Elisabeth Sickl zu einem informellen Ministertreffen am kommenden Freitag in Lissabon einladen. Das teilten Regierungsbeamte am Montag in Lissabon mit. Portugal hat derzeit den EU-Ratsvorsitz inne. Ministerin Sickl gehört der FPÖ des Rechtspopulisten Jörg Haider an.

Wie ein Sprecher des Büros von Ministerpräsident Antonio Guterres sagte, sprach sich der Regierungschef vor der Entscheidung, die Ministerin einzuladen, mit einigen seiner EU-Kollegen ab. Die 14 EU-Partner Österreichs hatten vorige Woche aus Protest gegen die Beteiligung der FPÖ an der Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel von der konservativen Volkspartei (ÖVP) beschlossen, die bilateralen Kontakte mit Wien einzufrieren. Kontakte auf Ministerebene sind davon nicht betroffen. Die Sanktionen beinhalten unter anderem die Herabstufung der Kontakte zu den österreichischen Botschaftern in den Hauptstädten der EU-Staaten. Außerdem wollen die 14 EU-Staaten österreichische Bewerbungen für Posten internationaler Organisationen nicht unterstützen.

(RPO Archiv)
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