Kolumne Berliner Republik Politik mit Bart kommt wieder in Mode

Zur Oberflächlichkeit bekennt sich niemand im Berliner Regierungsviertel - ohne sie geht es aber auch nicht.

Wir Journalisten verkneifen es uns schon seit geraumer Zeit, über die Frisur und die Klamotten der Kanzlerin zu schreiben. Zu Recht. Die Farbe ihrer Blazer wird auch nicht mehr häufiger erwähnt als die Krawattenmuster ihrer Staatsmann-Kollegen. Man blickt allenfalls noch auf die Tiefe und Färbung der Schatten um ihre Augen, die sich meist nach durchverhandelten Nächten zeigen. Die Debatte um ihre Optik konnte die Kanzlerin vor allem durch ein gleichbleibendes Outfit beenden. Solange Star-Coiffeur Udo Walz noch öffentlich über ihre sich ändernde Frisur schwadronierte, war diese auch Objekt des Interesses.

Deutliche optische Veränderungen an Politikern werden hingegen immer wahrgenommen. Die Schlankheitskur von Julia Klöckner rief allseits großen Respekt hervor. Auch die zehn Kilo, die Merkel nach ihrem Ski-Unfall vor etwa einem Jahr verlor, brachten den einen oder anderen Ernährungsberater in die Schlagzeilen.

Da Gleichberechtigung ja keine Einbahnstraße ist, müssen sich seit geraumer Zeit auch die Herren in der Politik Bemerkungen zu ihrem Äußeren anhören. Neuester Gesprächsstoff: der Vollbart von Peter Tauber. Der unkonventionell auftretende CDU-Generalsekretär hat immer mal wieder Drei-Tage-Bart getragen. In der Elefantenrunde gestern nach der Hamburg-Wahl sah er aber eher wie nach einer verlorenen Wette aus.

Nun ist ein CDU-Generalsekretär sicherlich nicht abergläubisch, aber es sind schon viele Männer mit Vollbart auf dem glitschigen Berliner Parkett ausgerutscht. Erinnert sei an den langjährigen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck und an den früheren Regierungschef von Brandenburg, Matthias Platzeck, die zwar in ihren Ländern erfolgreich waren, aber auf Bundesebene als SPD-Parteichefs untergingen. Als Rudolf Scharping 1994 mit Vollbart als Kanzlerkandidat antrat, warb die CDU prompt für "Politik ohne Bart" und konnte damit ihr damals reichlich angestaubtes Image aufpolieren. Ein einfaches Spiel mit dem Symbol Bart: Witze mit Bart mag keiner hören, Politiker mit Bart laufen Gefahr, als ähnlich abgestanden wahrgenommen zu werden. Jedenfalls ging die Wahl für die SPD verloren, obwohl Helmut Kohl damals schon auf dem absteigenden Ast war. Seinen Bart ließ sich Scharping nach seinem Sturz als SPD-Chef abrasieren. Allerdings muss man einräumen, dass er als Verteidigungsminister ohne Bart auch keine glückliche Figur machte.

Nun sind Bärte ja gerade wieder mächtig in Mode - die politische Attraktivität heben sie immer noch nicht.

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(RP)
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