Gastkommentar des Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung Ein Update für den Westen

Berlin · Auch nach dem Desaster in Afghanistan gilt: Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden wir nur mit den USA und Kanada meistern, meint Peter Beyer, Transatlantikkoordinator der Bundesregierung und CDU-Bundestagsabgeordneter.

 Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, spricht im Bundestag. Foto: Christophe Gateau/dpa.

Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, spricht im Bundestag. Foto: Christophe Gateau/dpa.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Das Desaster in Afghanistan und damit das Scheitern des westlichen Ansatzes im Allgemeinen macht es den Kritikern der Vereinigten Staaten leicht: Reflexhaft wird nun eine Abkehr von der transatlantischen Partnerschaft gefordert, eine Abkoppelung von den USA.

 Fest steht: Der Westen hat in Afghanistan eine Niederlage erlitten, sicherheitspolitisch mehr als peinlich, mit Blick auf die im Land zurückgebliebenen Menschen eine humanitäre Katastrophe. Verschlimmert wird diese Niederlage dadurch, dass eben nicht Donald Trump den überhasteten Abzug der US-Truppen umgesetzt hat. Die handwerkliche Verantwortung dafür liegt bei Joe Biden, dessen Administration eigentlich keine Bauchentscheidungen treffen wollte – sondern bis hierher realistisch und auf Basis wissenschaftlicher Daten regiert hatte.

 Für Deutschland und Europa folgen aus den letzten Wochen: Wir müssen sicherheitspolitisch in der Lage sein, kritische Situationen im Zweifel allein zu meistern. Das heißt auch: Wir müssen unsere Bundeswehr besser ausstatten. Dazu gehört, dass wir uns bei diesen Ausgaben weiter auf das innerhalb der NATO verabredete Zwei-Prozent-Ziel zubewegen. Das sind wir auch unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz schuldig. Wir sollten Ihnen das bestmögliche Gerät zur Verfügung stellen, dazu gehören zu ihrem Schutz auch bewaffnete Drohnen.

 Zentral ist für mich die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrats, wie es ihn in vielen westlichen Demokratien schon gibt: In diesem Gremium, idealerweise im Kanzleramt angesiedelt, fließen die wichtigsten Informationen aus Außen-, Verteidigungs-, Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik zusammen. So machen wir unsere internationalen Entscheidungen unbürokratischer und schneller – und letztlich unsere Außenpolitik moderner und besser.

 Europa muss lernen, strategisch zu denken – und nicht rein werteorientierte Außenpolitik zu betreiben. Dieser Weg ist unzeitgemäß. Deutschland sollte als Führungs- und Partnernation innerhalb der Europäischen Union vorangehen. Damit rede ich aber keinesfalls einer europäischen Autonomie das Wort. Denn diese wäre ebenso unklug wie gefährlich.

 Weltpolitische Neutralität ist eine naive Idee – und wäre für Deutschland und Europa weitaus gefährlicher als viele sich das ausmalen. Ohne die nuklearen und konventionellen Fähigkeiten der USA ist Europa nicht in der Lage, sich zu verteidigen. Zudem warten unsere Systemrivalen China und Russland nur darauf, dass der Westen sich entzweit.

 Moderne Transatlantik-Politik beruht für mich vor allem auf einem Gedanken: Wir müssen die internationalen Standards setzten, beim Klimaschutz, beim Handel, bei der Digitalisierung, der Pandemiebekämpfung und den Menschenrechten – und so die Strahlkraft des Westens erhöhen. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind so komplex, dass kein Land und auch kein Kontinent diese alleine bearbeiten kann. Einem engen Bündnis zwischen der EU, den USA und Kanada könnten sich auch befreundete Demokratien im asiatisch-pazifischen Raum wie Australien, Indien, Japan und Südkorea anschließen. Nichts ist so attraktiv wie das Angebot des westlichen Gesellschafts- und Staatsmodells.

 Ein gutes Beispiel für die Vorteile ist der Handel. Mehr Warenaustausch über den Atlantik hinweg führt zu mehr Arbeitsplätzen, also zur Sicherung unseres Wohlstands – und zu einem schnelleren und unbürokratischeren Austausch von Innovationen mit hohen Standards, was uns beim Klimaschutz und bei der Digitalisierung voran bringt. Europa und die USA sollten daher einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen wagen, gern in kleinen Schritten, auch um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. Davon sollten wir Washington überzeugen. Gute Argumente können wir vorweisen – beim aktuell nur vorläufig in Kraft gesetzten Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada: Das Handelsvolumen hat sich im zweistelligen Prozentbereich vergrößert. Mehr Handel über den Atlantik stärkt uns – und macht uns auch widerstandsfähiger und unabhängiger gegenüber China. 

Am Ende gilt: Ein enges und vertrauensvolles Bündnis auf Augenhöhe mit den USA und Kanada ist der einzige Garant dafür, dass wir auch in Zukunft in Freiheit, Sicherheit und Wohlstand leben.

(mün)
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