Friedensbewegung ist bereit für den "Tag X" Pazifisten treffen Kriegsvorbereitungen

Frankfurt/Main (rpo). Die deutsche Friedensbewegung ist auf den "Tag X" vorbereitet. Sollte der Irak-Krieg ausbrechen will man sofort mit massiven Protesten reagieren. Bereits rund 120 Veranstaltungen sind für den Fall der Fälle geplant.

Ob Streiks, Mahnwachen oder Demonstrationen - überall zwischen Aachen und Zwickau wollen Friedenskreise, Schülervertretungen und Kircheninitiativen aktiv werden, zum Teil laufen die Planungen schon wochenlang.

Wie groß das Potenzial der Kriegsgegner in Deutschland ist, hat Mitte Februar die Großdemonstration in Berlin gezeigt, an der 500.000 Menschen teilnahmen. Und zu den Leipziger Montagsdemonstrationen kommen seit Wochen zehntausende Bürger.

"Veranstaltungen nehmen mit Exponentialfunktion zu"

Die Zahl der Aktionen wird stark steigen, je näher der Kriegsausbruch rückt, wie Kristian Golla berichtet, der bei dem Bonner Netzwerk Friedenskooperative mitarbeitet. "Die angekündigten Veranstaltungen nehmen schon jetzt mit Exponentialfunktion zu." Nicht nur Aktivisten wie Golla erwarten, dass sich der Pazifismus wegen des Kriegs aus seinen Niederungen in den 90er Jahren zu neuen Höhen empor schwingen könnte.

Vor allem die weltweiten Demonstrationen Mitte Februar sind den Veranstaltern ein Beleg dafür, dass sich im Angesicht des militärischen Aufmarsches am Persischen Golf quasi der Widerstand der Weltbevölkerung formiert. Und dabei war bis dahin noch kein einziger Schuss gefallen.

Golla sieht darin einen bedeutenden Unterschied zum Golfkrieg von 1991: Damals habe die erste große Demonstration in Deutschland erst am 26. Januar stattgefunden - neun Tage nach Kriegsbeginn. Dieses Jahr seien bereits am 15. Februar Hunderttausende zu der Kundgebung in Berlin gekommen.

Bessere Vorbereitungen möglich

Die Bonner Friedensforscherin Corinna Hauswedell betont, dass ein Kriegsausbruch prinzipiell gar nicht nötig ist, um die Pazifisten zu stärken: Auch die Abrüstungsbewegung der 80er Jahre sei massiv erstarkt, ohne dass es je zum Krieg gekommen sei. Die Historikerin Hauswedell, die beim Bonner Institut für Rüstungskonversion arbeitet, gibt zu bedenken, dass der lange Vorlauf der US-Drohkulisse gegen Irak diesmal auch der Friedensbewegung die Chance gegeben hat, sich besser vorzubereiten. Bemerkenswert findet sie aber auch, dass sich viele Menschen, die sich früher nicht im Traum mit vermeintlich "linken" Friedensbewegungen identifiziert hätten, nun auf einmal zu den Kriegsgegnern zählen. So würden sich CDU-Stammwähler vom Krieg abwenden. "Das war weder nach dem ersten Golfkrieg, noch nach dem 11. September 2001 absehbar", sagt sie.

Ihrer Meinung nach ist es die Angst vor dem Machtmissbrauch der militärischen Supermacht USA, die den Menschen das globale Protest-Motiv liefert. Einen Dämpfer versetze der Bewegung ironischerweise höchstens die Anti-Kriegs-Politik der Bundesregierung: "Gegen die muss man im Augenblick weniger demonstrieren", sagt sie.

Vergleiche mit der Friedensbewegung während des Vietnamkriegs, wie sie immer wieder aufgestellt werden, sind daher umstritten. Natürlich werde es während eines Krieges noch mehr spontanen Zulauf geben, sagt etwa Golla. Davon lebt schließlich die Friedensbewegung: "Wir verteilen keine Mitgliedsausweise", betont der Aktivist. "Nur wenn die Menschen mit uns auf die Straße gehen, sind wir stark."

Mehr Vor- als Nachteile

In der vergleichsweise lockeren Netzwerks-Struktur sieht Golla denn auch mehr Vor- als Nachteile. "Nur so konnte sich eine Partei wie die Grünen geschlossen unserer Bewegung anschließen", sagt er. Im Gegensatz zu den sozialen Bewegungen der 60er und 70er Jahre seien Ideologien und Kaderstrukturen heutzutage out. Hinzu kämen gesellschaftliche Veränderungen, die Golla zufolge alle Verbände und Parteien in Form von stark schrumpfenden Mitgliederzahlen zu spüren bekommen: "Die Leute wollen sich nicht mehr 25 Jahre in einer Gruppe engagieren", betont er.

Allerdings - je länger sich ein militärischer Konflikt hinzieht, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich innerhalb der Bewegung feste Strukturen bilden. Und auch Unfrieden untereinander, wie er in den Bewegungen der 80er Jahre vorkam, werde es geben.

Und natürlich reden die Kriegsgegner nur ungern vom Kriegsbeginn. Schon die Aufnahme des so genannten Tag X in die Internet-Terminliste der Friedenskooperative war Golla zufolge keine leichte Entscheidung: "Wir haben uns lange dagegen gesperrt, weil wir einen Krieg ja nicht vorweg nehmen wollten", erklärt er. Für Helmuth Prieß von der kritischen Soldatenorganisation Darmstädter Signal wäre ein Kriegsausbruch denn auch ein bitterer Tag: "Unsere Organisation würde sicher gestärkt, aber der Weg dorthin wäre mit Leichen gepflastert", sagt er.

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