Pauschale Ehrung

30 Verdienstorden werden pauschal pro Legislaturperiode für Bundestagsabgeordnete reserviert. Politologen nennen das "anmaßend". Der Bundespräsident würde Abgeordnete gern mehr würdigen.

Berlin Wer als Bundestagsabgeordneter ein Bundesverdienstkreuz haben möchte, braucht einen netten Kollegen. Es sei wie bei der Verleihung des deutschen Musikpreises "Echo", witzelt einer aus der Unions-Bundestagsfraktion: "Der eine schlägt den anderen vor, hält die Laudatio und beim nächsten Mal ist es umgekehrt." So würde jeder Parlamentarier irgendwann mal geehrt.

Diese Darstellung dürfte etwas übertrieben sein. Aber sicher ist: Seit Mitte der 90er Jahre gibt es eine "mündliche Vereinbarung" zwischen dem Bundestag und dem Bundespräsidenten, dass pro Legislaturperiode 30 Parlamentarier für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen werden – und es auch erhalten (eine Ablehnung gab es bisher nie). Einen entsprechenden Bericht des "Berliner Kurier" bestätigte das Parlament gestern. Die Vorschläge aus den Fraktionen, die dann über den Bundestagspräsidenten an den Bundespräsidenten weitergereicht werden, müssten in einem "ausgewogenen, ihrer Fraktionsstärke entsprechenden Verhältnis berücksichtigt werden", erklärte ein Sprecher des Bundestages.

Der Verdienstorden der Bundesrepublik, kurz Bundesverdienstkreuz, ist die höchste staatliche Auszeichnung, die in Deutschland vergeben wird. Mit dem Orden, der in drei Klassen (Verdienstkreuz, Großkreuz, Großes Verdienstkreuz) und acht Stufen verliehen wird (siehe Grafik), würdigt der Bundespräsident besonderes ehrenamtliches Engagement im politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Bereich. Jeder Bürger kann einen anderen vorschlagen. Knapp 3000 Deutsche wurden im vergangenen Jahr geehrt. Die Vorschläge müssen bei der jeweiligen Landesregierung am Wohnsitz des zu Ehrenden abgegeben werden. 240 000 Mal wurde der Verdienstorden bisher in Deutschland vergeben.

Die höchste Auszeichung, die Sonderstufe des Großkreuzes, erhalten alle Bundespräsidenten und Staatsoberhäupter anderer Länder. Das Großkreuz in besonderer Ausführung, den zweithöchsten Orden, haben bisher nur die Bundeskanzler Konrad Adenauer und Helmut Kohl erhalten. Der erste Orden wurde 1951 vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss gestiftet. Unter den Geehrten waren bisher so unterschiedliche Personen wie Bayerns früherer Ministerpräsident Franz Josef Strauß, Schauspieler Armin Mueller-Stahl, der US-General während der Berliner Luftbrücke, Lucius D. Clay, der Gründungspräsident der Europäischen Zentralbank, Wim Duisenberg, Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Nationaltrainer Jogi Löw. Immer wieder sorgt die Verleihung für öffentliche Diskussionen, etwa als der Präsident des Weltfußballverbands Fifa, Joseph Blatter, die Auszeichnung 2006 erhielt. Ex-Postchef Klaus Zumwinkel musste seinen Orden nach der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zurückgeben. Auch das ist möglich.

Die pauschale Vergabe des Ordens, der je nach Stufe und Rang aus einem goldbeschichteten, mit dem Bundesadler versehenen Kreuz oder Stern an einem Stoffband besteht, an die Bundestagsabgeordneten stößt auf Kritik. Der Parteienforscher Hans-Herbert von Arnim findet es "schlicht anmaßend". Der Bundespräsident verteidigt indes die Praxis. Es gebe bei individueller Prüfung weitaus mehr Abgeordnete, die eine derartige Auszeichnung verdient hätten, sagte ein Sprecher von Christian Wulff gestern. "Die Vielfalt des Engagements der Abgeordneten wird in der Öffentlichkeit zu wenig gewürdigt." Früher habe es mehr als doppelt so viele Ordensvergaben an Abgeordnete gegeben. Auch der Bundestagspräsident, der die Vorschläge an das Staatsoberhaupt weitergibt, hat keine Bedenken. Man leite nur "ausführlich begründete Ordens-anregungen" weiter, betonte ein Sprecher. Und nur wenn ein "erhebliches ehrenamtliches Engagement" vorliege.

(Rheinische Post)
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