Berlin Pädophilie-Streit: Neue Attacke gegen Grüne

Berlin · Mit immer neuen Attacken heizt die CSU den Streit über die einstige Rolle von Pädophilie-Sympathisanten bei den Grünen weiter an. CSU-Chef Horst Seehofer äußerte Zweifel am Aufklärungswillen der Grünen. "Das sieht nach einem reinen Lippenbekenntnis aus", sagte Seehofer. Der Grünen-Vorstand hatte beschlossen, einen Forscher untersuchen zu lassen, in welchem Umfang Pädophilen-Gruppen in der Partei wirkten.

In Fahrt gekommen war die Debatte, als der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, seine Festrede zur Verleihung des Theodor-Heuss-Preises an Daniel Cohn-Bendit absagte. Der Europapolitiker hatte 1975 in einem halb fiktiven Buch über seine Zeit als Kindergärtner geschrieben: "Es ist mir mehrmals passiert, dass einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln." Auch einzelne andere Äußerungen zu Sexualität von Kindern und Erwachsenen sind bekannt.

Für die Grünen ist die Vergangenheit, in der auch Pädophile in der Partei geduldet wurden, heikel. 1985 ließ ein Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen eine Passage ins Wahlprogramm rutschen, nach der gewaltfreier Sex zwischen Kindern und Erwachsenen straffrei bleiben soll. Der Aufschrei der Öffentlichkeit, aber auch bei den Grünen war groß – die Partei wollte den Beschluss revidieren, ließ sich aber wieder von den nicht zu ihnen zählenden Stadtindianern bedrängen. Ein NRW-Sonderparteitag drohte am 30. März 1985 in Bad Godesberg in Chaos zu versinken. 30 bizarr bemalte Stadtindianer aus Nürnberg, im Schlepptau mit Kapuzen vermummte Kinder, wollten den Pädophilie-Beschluss retten. Mit Senfbomben und Gebrüll wollten sie den Konvent kippen. Doch die Grünen kassierten den Beschluss zur sexuellen Freizügigkeit bei Kindern mit einer Gegenstimme. Eine Bundesarbeitsgemeinschaft von Schwulen und Päderasten ("SchwuP") war einige Jahre der Bundestagsfraktion zugeordnet – bis zur ihrer Auflösung 1987.

Zunächst die Südwest-CDU, jetzt die CSU attackieren Cohn-Bendit, werfen aber auch den Grünen insgesamt Wegschauen vor. So verlangt die CDU-Politikerin Erika Steinbach Klärung, "ob noch heute aktive Politiker zu dem Kreis der Parteimitglieder gehörten, die sich einst für pädophile Ziele eingesetzt haben". In die Offensive gehen jetzt aber auch jene, die die Attacken für überzogen halten. Die langjährige Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck fordert, die Umstände zu beachten. "Es ging um die schwierige Befreiung von der bleischweren Sexualmoral der Nachkriegszeit. Wer die Spießigkeit der Eltern überwinden wollte, war nicht immer trittsicher in seinen Maßstäben."

(RP)
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