Außenministertreffen des Ostseerates in Wismar Ein blaues Kraftwerk mit Wind für die Zukunft
Russlands Aggression in der Ukraine bringt die acht Mitgliedsstaaten des Ostseerates noch näher zusammen. In Wismar beraten die Außenministerinnen und Außenminister der Regionalorganisation mit Annalena Baerbock als Gastgeberin bis Freitag über alte Kriegsminen in der Ostsee, Offshore-Windenergie und Sicherheit im Ostseeraum
Erst einmal für die Fotografen den „Gallery Walk“ entlang. Vorbei an Bergerobotern, Detektoren, gehobenen und entschärften Seeminen. Annalena Baerbock kommt gerade aus Oslo vom Treffen der Nato-Außenminister. Einige der Amtskolleginnen und -kollegen, mit denen die deutsche Außenministerin dort über weitere Unterstützung für die Ukraine beraten hat, hat Baerbock in der deutschen Regierungsmaschine gleich mit nach Mecklenburg-Vorpommern zum nächsten Termin genommen. Bis Freitag ist die Grünen-Politikerin in Wismar Gastgeberin für die Beratungen des Ostseerates, bei dem Deutschland in diesem Jahr den Vorsitz hat. Unter anderem spricht die Ministerrunde der acht Ostsee-Anrainerstaaten Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Litauen, Lettland, Polen und Schweden plus Island, Norwegen und die EU über Munitionsaltlasten, die teilweise seit Jahrzehnten auf dem Grund der Ostsee liegen.
400 000 Tonnen konventionelle Munition werden dort geschätzt plus weitere 42 000 Tonnen chemische Kampfstoffe. Irgendwann muss der gefährliche Müll geborgen werden. Schließlich wollen die Staaten des Ostseerates, 1992 von Deutschland und Dänemark gegründet, sich weiter unabhängig von russischem Gas und Öl machen und dazu auch ihre Windparks draußen auf dem Meer weiter ausbauen. Weil dazu auch sichere Raumplanung – frei von Minen und Altmunition – nötig ist, sind auf Einladung der deutschen Bauministerin Klara Geywitz (SPD) ihre Amtskolleginnen und –kollegen mehrerer Ostsee-Anrainer auch gleich in Wismar. Baerbock, Geywitz und ihre Ministerrunde lassen sich gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) auf dem „Gallery Walk“, einer Freiluft-Ausstellung am Hafen von Wismar, an vier Stationen zeigen, wie alte Munition vom Boden der Ostsee gehoben werden könnte – etwa durch einen Bergeroboter. Deutschland will mit einer mobilen Bergungsplattform, die Ende dieses Jahres ihre Arbeit aufnehmen könnte, helfen, den gefährlichen Müll zu heben.
Theoretisch hätte Russland bei der Bergung von Altmunition helfen können. Doch Russland, das bis vergangenes Jahr ebenfalls Mitglied des Ostseerates war, ist auch aus dieser Regionalorganisation raus. Nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges auf die Ukraine suspendierten die anderen Staaten des Ostseerates Russland von den Beratungen. Wenig später erklärte Russland dann aktiv selbst seinen Austritt aus dieser Konferenz zum Schutz der Ostsee. Baerbock sagte vor dem Auftakt des Ostseerates: „Russland hat mit dem illegalen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht nur mit dem Völkerrecht gebrochen, sondern auch die Brücken der Zusammenarbeit im Ostseeraum eingerissen.“ Mehr denn je in der 31-jährigen Geschichte seien die Mitgliedsstaaten der Organisation durch die russische Aggression herausgefordert.
Der Ostseerat hatte sich immer auch als ein Gremium verstanden, Russland stärker in die Beratungen mit europäischen Staaten einzubinden. Auch diese gemeinsame Plattform existiert nun nicht mehr. Umso mehr wollen die Minister des Ostseerates vor dem Hintergrund des Krieges Russlands gegen die Ukraine bei ihrem zweitägigen Treffen in der Hansestadt Wismar den Zusammenhalt in Europa betonen und dabei auch nach Möglichkeit suchen, die Widerstandskraft ihrer Demokratien gegen Gefahren von außen zu stärken. Dabei geht es ihnen eben auch um Energiesicherheit etwa durch eigene Windenergie auf dem Meer. Baerbock betont, es gehe „um die Stärke und Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft und nicht zuletzt darum, wie wir das gigantische blaue Kraftwerk vor unseren Küsten zum Laufen bringen und den Ausbau von Windkraftanlagen voranbringen können“. Als ein Versprechen auf die Zukunft wollen die Ministerinnen und Minister des Ostseerates in Wismar auch den Austausch ihrer jungen Generation fördern. Gerade in Zeiten des Krieges in der Ukraine soll der Ostseeraum – möglichst befreit von Kriegsaltlasten auf dem Meeresboden und beflügelt durch zusätzliche Offshore-Windenergie – auch eine Chance für die Jugend sein.