Kiew Opposition in Kiew ignoriert Amnestiegesetz

Kiew · Erst wenn die Demonstranten die besetzten Gebäude räumen, sollen ihre Gefolgsleute freikommen.

Der ukrainische Präsident ist krank. Viktor Janukowitsch habe wegen einer "starken Erkältung mit hohem Fieber" eine "Bescheinigung über Arbeitsunfähigkeit" erhalten, sagte ein Regierungssprecher. Vielleicht liegt es an den Temperaturen unter minus 20 Grad, die derzeit in Kiew herrschen. Vielleicht hat sich Janukowitsch aber auch einfach übernommen, als er in der Nacht zu gestern die zögernden Abgeordneten der Regierungspartei anbrüllte. Beobachter berichteten, Janukowitsch sei so laut geworden, dass man selbst durch die geschlossenen Türen jedes Wort hören konnte. Die Parlamentsmehrheit hatte ein Amnestiegesetz für inhaftierte Oppositionsanhänger eingebracht, das allerdings an die Bedingung geknüpft war, dass die Demonstranten innerhalb einer Frist von 15 Tagen alle besetzten Verwaltungsgebäude räumen. Die Opposition hatte dagegen in ihrem Vorschlag eine bedingungslose Straffreiheit vorgesehen.

Wie die "Ukrainskaja Prawda" schreibt, waren 52 Parlamentarier der regierungstreuen Partei der Regionen bereit, für die Vorlage der Opposition zu stimmen. Daraufhin erschien Janukowitsch persönlich im Parlament, um die Abgeordneten zu Fraktionsdisziplin zu zwingen: "Ihr versteht überhaupt nichts! Ihr macht alles kaputt!", habe der Präsident gebrüllt. Die EU und die UN hätten seinen Plan zur Beilegung der Krise bereits abgesegnet, soll Janukowitsch behauptet haben. Dann drohte er mit der Auflösung des Parlaments – ein Bluff: Nach der ukrainischen Verfassung kann der Präsident das Parlament nur dann auflösen, wenn es 30 Tage lang beschlussunfähig ist. In Osteuropa, wo aber viele Abgeordnete ihre Tätigkeit als Möglichkeit zur persönlichen Vorteilsnahme sehen, zeigt eine solche Drohung in der Regel Wirkung. So war es auch diesmal: Mit 232 Stimmen wurde das Amnestiegesetz durchgepaukt.

Die Opposition will das nicht akzeptieren und ihre Proteste fortsetzen. Der Chef der oppositionellen Partei "Swoboda" ("Freiheit"), Oleg Tjagnibok, sagte: "In Wahrheit hat das Parlament eben ein Gesetz zu Geiseln verabschiedet. Die Behörden haben selbst eingeräumt, dass sie so wie Terroristen Geiseln nehmen, um sie dann einzutauschen."

(hei)
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