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Machtkampf um die Hoheit der deutschen Außenpolitik Einfach tierisch ernst

Der Streit um die Hoheit der deutschen Außenpolitik geht weiter. Annalena Baerbock geht vor großem Publikum den Kanzler an. Sie greift mit einer raffinierten Waffe an: Humor und Selbstironie. Olaf Scholz wird sich das letzte Wort nicht nehmen lassen. Die Machtprobe zwischen dem Kanzler und seiner Außenministerin ist damit in einer nächsten Runde.

 Wer hat das Sagen in der deutschen Außenpolitik? Olaf Scholz und Annalena Baerbock verfolgen unterschiedliche Politikansätze.

Wer hat das Sagen in der deutschen Außenpolitik? Olaf Scholz und Annalena Baerbock verfolgen unterschiedliche Politikansätze.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Bloß keine Witze. Schon gar nicht über Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Bühne ist bereitet. Annalena Baerbock ist präpariert. Es kann losgehen. Baerbock gegen Scholz, nächster Akt. Die Außenministerin hat in den zurückliegenden Wochen und Monaten immer wieder pointiert und auch selbstbewusst erklärt, wie sie die Linien deutscher Außenpolitik sieht. Nicht immer deckungsgleich mit denen des Bundeskanzlers. Aber an diesem Abend nutzt die Grünen-Politikerin die Chance, Olaf Scholz vor großem Publikum frontal anzugehen – getarnt hinter Humor und Selbstironie. Die Verleihung des Ordens wider den Tierischen Ernst in Aachen bietet dazu einen nahezu optimalen Rahmen. Nicht alles so tierisch ernst. Wer im Saal war, hörte live und in Farbe wie Baerbock sagt: „Ich wollte erst als Leopard kommen. Aber dann hatte ich doch Sorge, dass mir das Kanzleramt wochenlang keine Reisegenehmigung erlaubt“. Ein breites deutsches Fernsehpublikum konnte es erst am Montagabend verfolgen. Dann war der Schmäh auch draußen in der Republik. Dabei hätten ihre Redenschreiber ihr doch mit auf den Weg ans Mikrofon gegeben: „Annalena, nach dieser Woche: Bitte keine Witze über den Bundeskanzler. Und vor allem. Bitte keine Versprecher.“ Aber Versprecher mache man nur, „wenn man gar nix sagt“. Dies könnten andere besser als sie. Baerbock hat erkennbar Spaß an dieser Rede – mit eingebauten Seitenhieben gegen den Kanzler.

Scholz und Baerbock oder Baerbock und Scholz – diese Arbeitsbeziehung entwickelt sich immer mehr zu einer Dauerkonkurrenz über die Hoheit deutscher Außenpolitik. Koch und Köchin, nicht Koch und Kellner, wie der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder einmal das Verhältnis zwischen SPD und Grünen beschrieb. In einer Koalition sei es nun einmal so, „der Größere ist Koch und der Kleinere ist Kellner“, hatte Schröder gesagt. Nicht, wenn Baerbock auch in der Koalitionsküche steht.

Der Bundeskanzler und die ehemalige Kanzlerkandidatin der Grünen schenken sich nichts. Vor allem erweckt Baerbock gerne den Eindruck, in wichtigen außen- und sicherheitspolitischen Fragen schneller zu agieren als der eigene Regierungschef. Im Kanzleramt reagiert man auf das Vorpreschen der deutschen Chef-Diplomatin genervt, etwa, als sie am Abend des deutsch-französischen Ministerrates in Paris erklärt, die Bundesregierung würde den Export von Leopard-Panzern von Drittstaaten an die Ukraine nicht blockieren. Nur zwei Tage später gab Scholz schließlich die Lieferung von Leopard-Panzern – sowohl für Drittstaaten als auch aus Beständen der Bundeswehr – frei. Geht doch, wird sie sich gedacht haben. „Ebend“, nimmt sich Baerbock über eine verbale Eigenart, ihre Aussprache des Wortes „eben“, selbst hoch. „Das ist schönstes Hochdeutsch. (…) Das sagt man so in Hannover. Ebend“, so die Geehrte wider den Tierischen Ernst.

Es ist auch eine Geschichte über Reden und Schweigen. Im Kanzleramt findet man, Baerbock rede zu viel. Deswegen unterliefen ihr auch Ausrutscher wie der Satz, der Westen befinde sich in einem Krieg mit Russland, wo doch erklärte deutsche Linie sei, von Scholz mehrfach betont, alles zu tun, damit die Nato nicht in einen Krieg mit Russland hineingezogen werde. In Baerbocks Umfeld ärgert man sich über die sparsame Kommunikation des Kanzlers. Die Temperamente der beiden Wahl-Potsdamer könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie spontan, manchmal zu viel, er spröde, manchmal zu sehr.

Auch beim Umgang mit der Weltmacht China demonstrieren Baerbock und Scholz ihre unterschiedlichen Politikansätze. Als der Kanzler im vergangenen November nach Peking reiste und dort mit Machthaber Xi Jinping über den Ukraine-Krieg sprach, ließ Baerbock dies nicht unkommentiert. „Der Bundeskanzler hat den Zeitpunkt seiner Reise entschieden“, sagte die Außenministerin trocken. Unüberhörbar schwang da der Vorwurf mit, dass der Zeitpunkt der Peking-Visite von Scholz eben nicht optimal gewählt gewesen sei. Die Grünen-Politikerin konnte es sich da nicht verkneifen, den Bundeskanzler an den Vertrag über das gemeinsame Regieren der Fortschrittskoalition zu erinnern. „Jetzt ist entscheidend, die Botschaften, die wir gemeinsam festgelegt haben im Koalitionsvertrag, (…) auch in China deutlich zu machen.“

Nun schwelt auch noch ein Konflikt über die Nationale Sicherheitsstrategie, die diese Ampel-Regierung – gewissermaßen in der Nachfolge des bisherigen Weißbuches der Bundeswehr – demnächst vorlegen will. Seit Sommer vergangenen Jahres arbeiten mehrere Ressorts unter Federführung des Auswärtigen Amtes an dieser ersten Nationalen Sicherheitsstrategie, mit der sich Deutschland gegen alte und neue Gefahren wappnen will. Eigentlich sollte das Sicherheitspapier bis zur Münchner Sicherheitskonferenz in der kommenden Woche vorliegen. Doch nun stockt der finale Abstimmungsprozess. Denn es geht um grundsätzliche Linien und darum, wer in der deutschen Außenpolitik letztlich das Sagen hat: Bundeskanzler oder Außenministerin.

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