Eröffnung des ersten deutschen Flüssiggas-Terminals Schwimmende Hoffnung
Meinung · Zeitenwende auch energetisch. Zehn Monate nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine wird in Wilhelmshaven das erste Terminal für Flüssigerdgas eröffnet. Deutschland stellt sich bei der Auswahl seiner Energielieferanten neu auf und geht dafür auch einen fossilen Umweg
Drei Männer – der Bundeskanzler und zwei Minister -- in leuchtendgelben Arbeitsjacken. Und ein Schiff mit dem Namen „Hoffnung“. Die Botschaft, die Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner, mit der Eröffnung des ersten deutschen Terminals für den Import von Flüssig-Erdgas ausgesendet haben, ist klar. Die Ampel packt an, die Bundesregierung ist angesichts der Krisen voll im Arbeitsmodus – und dabei sowohl handlungs- als auch entscheidungsfähig. Davon zeugt die Geschwindigkeit, in der dieses erste LNG-Terminal errichtet wurde. Zehn Monate von der Entscheidung bis zur Fertigstellung. Davon können Bauleute nur träumen. Dass die „Hoegh Esperanza“ allerdings chlorhaltige Abwasser tatsächlich in die Jade pumpen darf, ist eine echte umweltpolitische Fehlleistung. Keine schöne Hoffnung. Von Russlands Energiewillkür will sich die größte Volkswirtschaft Europas nicht länger abhängig machen. Das Band zu Russland ist zerschnitten, jedenfalls, solange der Machthaber im Kreml Wladimir Putin heißt. Wer und was nach ihm kommt – und diese Zeit wird kommen – ist höchst ungewiss.
Deutschland stellt sich in atemberaubenden Tempo energiepolitisch neu auf, muss dabei nun allerdings noch einen fossilen Umweg gehen, um die Energieversorgung für die eigene Bevölkerung und die heimische Wirtschaft sicherzustellen. Ohne Gas und Öl geht es für einen Übergangszeitraum nicht. Die Erneuerbaren Energien schaffen das noch nicht alleine. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist deshalb sehr früh nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in andere Weltregionen gereist, um neue Lieferverträge für Gas und Öl zu schließen und Wasserstoff-Kooperationen zu finden. Auch hier kein Wunschkonzert, denn die neuen Lieferanten sind – siehe Katar – gleichfalls wahrlich keine demokratischen Staaten und auch in Fragen von Menschen- und Freiheitsrechten keine Vorbilder, sondern verstoßen gegen Werte, für die Staaten der Europäischen Union eintreten. Wenn es eine Lehre aus der langjährigen und von beiden Seiten gepflegten Energiepartnerschaft mit Russland gibt, dann ist es folgende: Deutschland darf sich nie wieder von einem Land derart abhängig machen wie es bei Russland über Jahre der Fall war. Diese energiepolitische Sicherheit war trügerisch – wie wir heute wissen und besser früher hätten wissen sollen. Das russische Gas machte einst 55 Prozent der gesamten deutschen Gasversorgung aus. Jetzt fließt es nicht mehr.
Mit der Eröffnung dieses ersten deutschen Flüssiggas-Terminals kann es noch keine Entwarnung gegeben werden, auch wenn die Gasspeicher vor Beginn dieses Winters (und es ist ein Winter!) gut gefüllt waren. Das Schiff „Hoegh Esperanza“ kann nur ein Baustein sein, um die Gasversorgung sicherzustellen. Schon spricht Bundeskanzler Scholz vom „Deutschland-Tempo“, mit der es nun weitergehen soll. Scholz mag solche Schlagworte: „Bazooka“, „Wumms“ und die Deutschen sollen auch wissen: „You’ll never walk alone.“ Sie stehen niemals alleine. Nun sollen in ebenfalls hohem Tempo noch vier weitere LNG-Terminals entstehen. Sollte Deutschland dann zu viel Gas haben, kann es solidarisch einen Teil der Menge an europäische Partnerstaaten abgeben. Denn die Energiekrise ist nicht bis zum neuen Jahr gelöst. Sie wird dauern. Der nächste Winter kommt bestimmt.