Auflösung mit 87,1 Prozent der Stimmen beschlossen ÖTV stimmt für ver.di

Berlin (rpo). Der Weg für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist frei: Knapp 87,1 Prozent der Stimmberechtigten haben beim außerordentlichen Bundeskongress der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr für eine Auflösung der Organisation gestimmt. Damit kann die ÖTV mit den anderen vier Fusionsgewerkschaften verschmilzen.

Laut Satzung war eine Mehrheit von 80 Prozent erforderlich. 474 Delegierte stimmten für die Fusion, 56 dagegen. Die Gründung der neuen Gewerkschaft ist für Anfang der kommenden Woche geplant.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Frank Bsirske, dankte den Delegierten für ihr Votum: "Das ist ein großer, ein historischer Tag für unsere Organisation."

ÖTV macht Weg für Dienstleistungsgewerkschaft frei QTime | Real | Winmedia

Noch an diesem Wochenende wollen die anderen vier Fusionsgewerkschaften - IG Medien, Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG), Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) und Deutsche Postgewerkschaft (DPG) ebenfalls über ver.di abstimmen. Während sich die IG Medien, die DAG und die Postgewerkschaft der Zustimmung zu ver.di sicher sein können, gilt die Abstimmung bei der HBV als Zitterpartie. Die IG Medien benötigt für eine Zustimmung 75 Prozent der Delegiertenstimmen, die anderen 80 Prozent. Verfehlt eine der fünf Gewerkschaften die jeweilige Mehrheit, kann es ver.di nicht geben.

Die ÖTV begann mit ihrer Tagung das Kongress-Marathon in Berlin. Insgesamt sind bis zum kommenden Mittwoch rund 5000 Delegierte, Funktionäre und Gäste der Gewerkschaften in Berlin. Ver.di wäre mit fast drei Millionen Mitgliedern die größte freie Einzelgewerkschaft der Welt.

Bsirske sagte vor der Abstimmung, ver.di sei das "größte, ehrgeizigste und anspruchsvollste Fusionsprojekt in der Geschichte der freien Gewerkschaften". Er appellierte an jeden Delegierten, sich seiner Verantwortung bewusst zu sein. Er sagte: "Wir sollten es all denen zeigen, die gesagt haben, die schaffen es nicht." Der Kongress quittierte diese Äußerung mit heftigem Beifall. Mit Blick auf die magere ver.di-Zustimmung der ÖTV vom November sagte Bsirske: "Jeder hat das Recht auf eine zweite Chance. Lasst sie uns nutzen." ÖTV-Chef: ver.di "Riesenchance"

Unterdessen forderte der DAG-Vorsitzende Roland Issen eine neue Tarifpolitik für die neue Dienstleistungsgewerkschaft. "Wir werden keine Tarifpolitik im Gleichschritt Marsch führen können. Wir werden den Mut haben müssen, auch zu dezentralisierten Ergebnissen zu kommen", sagte er im DeutschlandRadio Berlin. Im Südwestrundfunk (SWR2) bezeichnete Issen die Gründung von ver.di als Zäsur in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte.

Der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, Anton Börner, beurteilte ver.di positiv. Man wünsche sich "durchaus einen starken Sozialpartner". Auf die Frage, ob durch die Supergewerkschaft der Druck bei Tarifverhandlungen wachse, sagte er der "Kölnischen/Bonner Rundschau" (Freitag): "Das ist keine Frage der Größe, sondern der wirtschaftlichen Vernunft."

Für den stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion Rainer Brüderle droht mit dem Gewerkschaftsriesen die Gefahr, dass Tarifverhandlungen weiter zentralisiert werden. Dies würde der nach Brüderles Ansicht notwendigen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes entgegenlaufen.

Nach einem Bericht der "Sächsischen Zeitung" (Freitag) sollen in ver.di in den nächsten Jahren etwa 1000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Durch Altersteilzeit, Vorruhestand und Abfindungen solle der Personalüberhang bis 2007 reduziert sein, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Betriebsratsmitglieder. Betriebsbedingte Kündigungen sind laut Verschmelzungsvertrag bis 2007 ausgeschlossen. Die fusionierenden Gewerkschaften beschäftigten derzeit rund 5000 Mitarbeiter. Aus der ÖTV-Führung hieß es, es werde bei der Beschäftigtenzahl von ver.di zu einem Anpassungsprozess kommen. Eine Größenordnung sei aber noch nicht absehbar.

(RPO Archiv)
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