Mai sieht kaum noch Chance für Rente mit 60 im Bündnis ÖTV-Chef macht BDI-Präsident Henkel verantwortlich

Berlin (dpa). Nach den Arbeitgebern sieht nun auch ÖTV-Chef Herbert Mai nur noch wenig Chancen für einen Kompromiss zum Vorruhestand im Bündnis für Arbeit. "Ich habe erhebliche Zweifel, ob wir uns in dieser Frage noch einigen können", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr der der "Berliner Zeitung" (Montagausgabe).

Verantwortlich für diese "fatale Entwicklung" seien der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, und der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans Peter Stihl. Mai warf Henkel und Stihl vor, offensichtlich keinen Konsens anzustreben. Ein Spitzentreffen zum Bündnis im Januar werde damit immer unwahrscheinlicher.

Gegen eine Rente mit 60 wandte sich der CDU-Wirtschaftspolitiker Friedhelm Ost. Die Rente mit 60 könne nicht mehr Beschäftigung bringen, sagte Ost der "Thüringer Allgemeine" (Montagausgabe). Sie wird die hohe Arbeitslosenzahl von rund vier Millionen nicht deutlich reduzieren.

Zuvor hatte sich der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, dagegen gewandt, eine Rente mit 60 über die Rentenversicherung zu finanzieren. Zudem sei die Rente mit 60 bei der jetzigen hohen Arbeitslosigkeit nur "eine von mehreren Möglichkeiten, Arbeitslosigkeit zu verringern".

Die stellvertretende DGB-Bundesvorsitzende Ursula Engelen-Kefer setzte sich für eine stärker über Steuern finanzierte aktive Arbeitsmarktpolitik ein. Sie sagte in einem dpa-Interview, der Abbau der Arbeitslosigkeit sei eine gesellschaftliche Aufgabe. Deshalb müsse sich auch die gesamte Gesellschaft an den Kosten für Fort- und Weiterbildungen, betriebliche Eingliederungshilfen und andere arbeitsmarktpolitische Leistungen beteiligen.

Arbeitslosen-Initiativen in Deutschland äußerten sich von den bisherigen Ergebnissen des Bündnisses für Arbeit enttäuscht. Der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Arbeitslosenprojekte in Niedersachsen, Klaus Kittler, sagte in einem dpa-Gespräch: "Alle kurzfristigen Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Ein Ansatz für einen echten Erfolg zur Schaffung von Millionen neuer Jobs ist nicht erkennbar."

Wegen des Renten-Streits war eine Bündnisrunde am 23. Dezember abgesagt worden. Einen neuen Termin gibt es noch nicht. Die Arbeitgeber sind weiterhin strikt gegen die Rente mit 60. Die meisten übrigen Gewerkschaften haben vorgeschlagen, den Renteneintritt möglicherweise von 65 auf 62 oder 63 Jahre vorzuziehen. Dies hat IG Metall-Chef Klaus Zwickel abgelehnt.

Die Metall-Gewerkschaft will eine vorgezogene Altersrente über Lohnvereinbarungen finanzieren. Am 11. Januar will der IG-Metall- Vorstand erstmals über die Forderung für die Tarifrunde beraten. Zwickel hatte betont, Chancen für eine Einigung darüber bestünden nur bis zum 27. Januar. Dann werde seine Gewerkschaft endgültig die Tarifforderungen für 2000 beschließen. Ohne einen Rentenkompromiss würden die reinen Tarifforderungen "deutlich über vier Prozent" liegen.

(RPO Archiv)
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