Heppenheim Odenwaldschule droht neuer Missbrauchsskandal

Heppenheim · Erst gesteht ein Lehrer den Besitz von Kinderpornos, nun gibt es weitergehende Vorwürfe gegen ihn. Die Schule kommt nicht zur Ruhe.

Die Odenwaldschule wird von einem neuen Missbrauchsverdacht erschüttert. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelt wegen möglicher sexueller Übergriffe gegen einen kürzlich fristlos entlassenen Lehrer, wie ein Sprecher sagte. Um welche Handlungen es genau geht, wollte die Anklagebehörde aus Gründen des Opferschutzes nicht bekanntgeben. Betroffen seien aber möglicherweise mehrere Schüler. Einer der Vorwürfe dreht sich demnach um ein Zeltlager, bei dem der Lehrer gemeinsam mit einer zweiten Lehrkraft und rund zehn Schülern in einem Zelt übernachtet haben soll.

"Uns wurden eine Reihe von Vorfällen mitgeteilt, die es rechtfertigen, dass wir Ermittlungen aufnehmen", sagte der Sprecher. Die Schilderungen stammten von Schülern, die nicht selbst betroffen seien, aber Beobachtungen gemacht hätten.

Nach Angaben des stellvertretenden Landrats des Kreises Bergstraße, Matthias Schimpf, gibt es auch Berichte über regelmäßige Besuche eines Schülers in der Wohnung des Lehrers. Dies sei eindeutig eine Grenzverletzung, die den Aufsichtsbehörden hätte gemeldet werden müssen - wenn sie der Schulleitung bekannt war, sagte Schimpf.

Der entlassene Lehrer hatte zugegeben, vor seiner Zeit an der Odenwaldschule im Jahr 2011 Kinderpornos heruntergeladen zu haben. Dass es einen weitergehenden Verdacht gegen den Mann gibt, hatte die Schule am Dienstag öffentlich gemacht. Die Schulleitung hatte zuvor Schüler in Vier-Augen-Gesprächen nochmals befragt.

Die 1910 gegründete Odenwaldschule ist eine der bekanntesten deutschen Reformschulen. Zu den Schülern gehören der Schriftsteller Klaus Mann ebenso wie Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit und ein Sohn von Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Die Folgen des großen Missbrauchsskandals erschüttern das Haus bis heute. "Die Schule musste 2009 und 2010 erkennen, dass zahlreiche Kinder und Jugendliche von 1965 bis Ende der 80er Jahre Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind", heißt es auf der Website der Schule. Ein Abschlussbericht nennt 132 Betroffene.

Eine Schließung der Schule steht nach Angaben des Landkreises trotz allem nicht zur Debatte. "Das ist jetzt nicht die Option", sagte Schimpf. Zunächst gehe es darum zu fragen, was in der Schule mit den ersten Vorwürfen geschah und ob richtig reagiert wurde.

Der Opferverein "Glasbrechen" erneuerte dagegen seine Forderung nach einem Aus für die Schule in ihrer jetzigen Form. "Die Lehrer haben viel zu viel Platz und Zeit, sich ihren Schutzbefohlenen zu nähern", sagte der Vorsitzende Adrian Koerfer. In der Odenwaldschule leben Schüler und Lehrer in familienähnlichen Wohngemeinschaften.

(dpa)
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