Washington Obama schmeichelt Deutschland

Washington · Viel Pathos, das Weiße Haus in Washington schwarz-rot-gold beflaggt, ein zweistündiges, privates Abendessen und die pompöse Verleihung der Freiheitsmedaille – Angela Merkels zweitägige Visite bei Präsident Barack Obama geriet zum Harmonie-Gipfel. Der Libyen-Streit wurde entschärft.

Mehr Aufmerksamkeit ging nicht. Vor 4700 Gästen im Garten des Weißen Hauses lobte US-Präsident Barack Obama Deutschland als "einen unserer wichtigsten Verbündeten"; die neben ihm stehende Kanzlerin Merkel umschmeichelte der mächtigste Mann der Welt als "enge Freundin". Später lobte Obama die "Intelligenz und Aufrichtigkeit" Merkels. Die Kanzlerin und ihre hochkarätige Delegation, darunter fünf Minister, begrüßte er mit einem "Herzlich willkommen" auf Deutsch.

Angela Merkel, der ein eher nüchternes Verhältnis zum amerikanischen Präsidenten nachgesagt wird, entgegnete ebenfalls mit Pathos: "Wir Deutsche wissen, dass wir in den USA einen wahren Freund haben." Sie dankte Amerika dafür, dass es während des Kalten Kriegs "konsequent auf der Seite der Freiheit" gestanden habe. Europa und Deutschland hätten keinen besseren Partner als Amerika, schloss die Kanzlerin ihre Ausführungen vor Obamas Amtssitz in dessen Landessprache. Damit erinnerte sie an fast gleichlautende Worte Obamas in seiner Wahlkampfrede 2008 an der Berliner Siegessäule.

Es ist die große deutsch-amerikanische Verbrüderung, die an diesem Sommertag in Washington stattfindet. Mit rotem Teppich und reichlich Pomp werden Unstimmigkeiten im transatlantischen Bündnis überdeckt. 2008 hatte Merkel mit ihrer Weigerung, den Präsidentschaftskandidaten vor dem Brandenburger Tor sprechen zu lassen, Obama verärgert. Gestern, bei der Pressekonferenz im Ostflügel des Weißen Hauses, ruft sie Obama, der in seiner Amtszeit bisher Berlin konsequent gemieden hat, zu: "Das Brandenburger Tor steht noch eine Weile. Berlin freut sich immer auf Sie." Eine Journalistin hatte Obama gefragt, ob er noch in seiner ersten Amtszeit nach Berlin kommen wolle. Obama, der das offenbar für unrealistisch hält, scherzt: "Ich bedanke mich, dass Sie von einer zweiten Amtszeit ausgehen. Ich habe noch viel Zeit."

Viel mehr als solche protokollarischen Sperenzchen beherrscht der Konflikt um Libyen die zweitägige Visite Merkels in Washington. Die Weigerung Deutschlands, an der Seite Amerikas einen Militäreinsatz gegen Libyens Diktator Muammar al Gaddafi mitzutragen, hatte in den USA reichlich Irritationen ausgelöst. Vom Ende der Zuverlässigkeit deutscher Außenpolitik ist in US-Medien die Rede. Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Robert Gates sollen "not amused" gewesen sein. Und der mitreisende Vizekanzler Philipp Rösler bekam bei einem Gespräch mit Vertretern der Republikanischen und Demokratischen Partei den geballten Unmut zu spüren. Unverständnis sei noch die harmloseste Reaktion gewesen, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

Nun räumen die beiden als pragmatisch und analytisch beschriebenen Staatschefs die Libyen-Sache mit einer einfachen Formel aus der Welt: Die USA und ihre Verbündeten bomben Diktator Gaddafi aus dem Land, Deutschland kümmert sich um den zivilen Aufbau. Er erwarte eine "robuste Unterstützung" Deutschlands beim Aufbau des Landes, sollte Gaddafi besiegt sein, betonte Obama. Merkel nickte. Zunächst werden deutsche Polizeiausbilder und Experten für Infrastruktur geschickt.

Von einem Bruch im transatlantischen Bündnis sollte bei der kurzen Visite der Kanzlerin möglichst wenig zu sehen sein. Die Amerikaner gaben sich sichtlich Mühe, dem deutschen Gast einen großen Empfang zu bereiten. Am Vorabend hatte Obama Merkel zu einem fast zweistündigen, privaten Abendessen in einem Steak-Restaurant im Studentenviertel Georgetown eingeladen (beide aßen Rinderfilet, Erbsen und Salat). Ein "gelungener, intensiver Austausch" sei es gewesen, hieß es später in deutschen Regierungskreisen.

Die Themen bildeten einen Querschnitt der Krisenherde: Afghanistan, Nahost, Syrien und eben auch Libyen, wie Barack Obama in der Pressekonferenz bestätigte. Das persönliche Verhältnis zwischen den Führern der größten und der viertgrößten Volkswirtschaft dürfte sich aufgelockert haben. So viel Zeit hatten Obama und Merkel bisher nicht miteinander verbracht. Merkel übernachtete im Gästehaus gleich neben dem Amtssitz Obamas, gestern stieß ihr Ehemann Joachim Sauer zur Delegation hinzu. Sauer begleitet seine Frau nur selten auf offiziellen Terminen.

Und selbst die zunächst abgelehnte gemeinsame Pressekonferenz gewährte Obama dem Gast schließlich. Zwar trauern manche Transatlantiker den hemdsärmeligen Begegnungen früherer Tage nach – etwa Merkels Wildschwein-Grillen mit George W. Bush in Vorpommern. Doch im Umfeld der Kanzlerin wird glaubhaft versichert, dass das amtierende deutsch-amerikanische Führungs-Duo einen "tiefe und verlässliche Partnerschaft" pflege. Dass Obama nun als erster US-Präsident in einer Amtszeit keinen Staatsbesuch in der deutschen Hauptstadt einplant, spielen Merkels Leute als unbedeutend herunter. Die protokollarischen Ehren in Washington werden als Beleg für die Funktionsfähigkeit der Partnerschaft gewertet.

Damit war vor allem das pompöse Staatsdinner zur Verleihung der "Medal of Freedom" im Rosengarten des Weißen Hauses gemeint, zu dem gestern Abend 250 handverlesene Gäste, von Ex-US-Außenminister Henry Kissinger über Außenministerin Hillary Clinton bis zu TV-Moderator Thomas Gottschalk und Ex-Fußballnationaltrainer Jürgen Klinsmann, eingeladen waren. Merkels einzigartige Karriere von der Wissenschaftlerin bis an die Spitze der Regierung des wiedervereinten Deutschland sei eine "Inspiration" für alle Amerikaner und für ihn persönlich, sagte Obama.

Am Ende der Reise nahm Angela Merkel aber vor allem eine Botschaft mit: Deutschland wird international gebraucht. Künftig eher mehr als weniger.

Internet Mehr Bilder vom Besuch unter www.rp-online.de/politik

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort