Obama schlägt zurück

Präsident Obama konnte im zweiten TV-Duell punkten. Er wirkte präziser und überzeugender als beim ersten Duell. Mitt Romney muss bis zur letzten Präsidentschaftsdebatte weiter üben.

Hempstead US-Präsident Barack Obama hat drei Wochen vor der Wahl in seinem zweiten TV-Duell mit dem Republikaner Mitt Romney einen dringend benötigten Erfolg erzielt. Er zeigte sich deutlich angriffslustiger und überzeugte viele der Zuschauer.

Schauplatz des Duells ist die Hofstra University im Staat New York. Dort dürfen 82 repräsentativ ausgewählte Bürger Fragen an die Kandidaten stellen. Im größten Hörsaal der Hochschule verfolgen 300 Studenten das Geschehen. Auf den Rängen trägt man Plastikhüte in den Farben des Sternenbanners, patriotisch und zugleich ein wenig schräg.

Und hinterher findet Chris Buckley, dass der Präsident den Vorsprung wettgemacht hat, von dem der Herausforderer nach seiner überraschend starken Leistung bei der ersten Debatte noch zehren konnte. "Obama war präziser", sagt der 21-Jährige. Auf den Nerv ging ihm, dass Romney nach fast jeder Frage betonte, wie wichtig die Frage sei. "Irgendwie gönnerhaft", meint Buckley. Die Stilkritik ändert nichts daran, dass der New Yorker weiter dem Republikaner zuneigt, womit er sich im liberalen Milieu der Hofstra University allerdings klar in der Minderheit befindet.

Chris' Kumpel Alex McGeough, ein überzeugter Demokrat, spricht vom großen Comeback des Barack Obama. "Diesmal hast du gespürt, dass er noch kämpfen kann." Allein die Körpersprache. Seine Berater scheinen ihm eingeschärft zu haben, möglichst viel mit den Händen zu gestikulieren, jedenfalls gestikuliert er ständig. Einmal, als Romney im Stile eines Entertainers über die Bühne läuft, stellt er sich ihm robust in den Weg, als wollte er sein Revier verteidigen. Da sieht es für ein paar Sekunden so aus, als rüsteten sich zwei Gentlemen in Maßanzügen zu einem bitterernsten Duell um die Ehre.

Ständig fallen die beiden einander ins Wort, so dass Candy Crowley, die resolute Moderatorin von CNN, ordnend einschreiten muss. Schnell wird klar, was für eine polemische, ja gereizte Tonlage das Rennen auf der Zielgeraden noch prägen wird. Inhaltlich versucht der Herausforderer, seinen Gegner als überforderten Akademiker hinzustellen, der die Gesetze der Wirtschaft einfach nicht begreife. "Wenn Sie Präsident Obama wählen, bekommen Sie eine Wiederholung der letzten vier Jahre", warnt er, dann leide die Mittelschicht am meisten.

Obama seinerseits porträtiert den Rivalen als eine Art Wolf im Schafspelz, der in Wahrheit nur eines im Sinn habe: den Reichen noch mehr Geld zuzuschanzen. "Gouverneur Romney sagt, er habe einen Fünf-Punkte-Plan. Falsch, er hat einen Ein-Punkte-Plan. Der Plan ist, sicherzustellen, dass die Leute ganz oben nach eigenen Regeln spielen dürfen." Nach gut einer Stunde will der Multimillionär aus Boston wissen, ob sich Mister President seine eigene Altersvorsorge denn genau angeschaut habe, vielleicht enthalte die ja auch ein paar Anlagen in Steueroasen wie den Caymaninseln. "Nein, meine Rente ist sowieso nicht so hoch wie Ihre", kommt die schlagfertige Replik. Dann geht es um den Tod des amerikanischen Botschafters in Libyen, der am 11. September bei einem Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi an den Folgen einer Rauchvergiftung starb. Der Republikaner wirft Obamas Riege vor, Warnungen fahrlässig ignoriert und das Geschehene tagelang falsch dargestellt zu haben, nämlich als spontanen Ausbruch des Volkszorns statt als lange geplanten Terrorakt. Er sucht nach der Achillesferse des Außenpolitikers Obama, das Kapitel Libyen soll ihm als Paradebeispiel dienen für die Schwäche eines blauäugigen Weltbürgers, der nicht energisch genug einstehe für sein eigenes Land. Und zieht prompt den Kürzeren.

Zu suggerieren, seine Regierung treibe politische Spielchen mit so einer Tragödie, das finde er beleidigend, antwortet Obama und legt seine Stirn in zornige Falten. "Ein Oberkommandierender tut so etwas nicht. Man macht aus der nationalen Sicherheit kein politisches Ding." Da geht ein Raunen durchs Auditorium der Hofstra University, es ist die Passage, die den meisten hinterher als Erstes einfällt.

Sein Favorit, räumt auch der Romney-Anhänger Buckley ein, habe als Weltstratege nicht gerade geglänzt – "bis Boca Raton muss er noch ganz schön üben". In Boca Raton in Florida steigt am Montag die dritte und letzte Präsidentschaftsdebatte. Einziges Thema: die Weltpolitik. Obamas Sympathisanten dürften zufrieden sein, denn zwischenzeitlich hatte sie der leise Verdacht beschlichen, der Hoffnungsträger des euphorischen Herbstes 2008 habe nach vier schweren Jahren innerlich bereits resigniert.

Doch über den Ausgang des Votums sagt die Zwischenbilanz so gut wie nichts. Am 6. November geht es nicht nur darum, wer seine Basis feuriger mobilisiert. Das Zünglein an der Waage bilden letztlich schwankende Wähler in neun bis zehn Swing States, in Bundesstaaten, wo das Pendel traditionell hin- und herschwingt zwischen Demokraten und Republikanern. Nicht auszuschließen, dass verbale Raufereien wie die auf der Hofstra-Bühne deren Politikverdruss eher noch verstärken.

Wie skeptisch die politische Mitte beide Bewerber beäugt, wird auch am Debattenabend klar, als nämlich Susan Katz zum Mikrofon greift, eine enttäuschte Obama-Anhängerin des Jahres 2008. Als Erstes beklagt sie den Reformstau der letzten vier Jahre, und als Romney bereits eifrig nickt, nimmt sie ihn ins Visier. Die Wurzeln zahlreicher Probleme, sagt Katz, seien ja wohl in den Fehlern George W. Bushs zu suchen. Sie fürchte, dass Romney zurückkehre zu den gescheiterten Ansätzen seines Parteifreunds, sollte er dereinst im Oval Office sitzen. "Deshalb meine Frage: Was ist der größte Unterschied zwischen Ihnen und George W. Bush?"

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(RP)
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