Köln OB-Wahl im Schatten des Attentats - Reker gewinnt haushoch in Köln

Köln · Ein offenbar Rechtsradikaler hat die parteilose OB-Kandidatin Henriette Reker am Samstag mit einem Messer schwer verletzt. Gestern wurde sie mit absoluter Mehrheit zur ersten Kölner Oberbürgermeisterin gewählt.

Henriette Reker wird ihre Wahl zur Kölner Stadtchefin vermutlich erst heute erfahren. Gestern verblieb sie nach einem schweren Attentat am Samstag weiterhin wie geplant im künstlichen Koma. Das berichteten Vertraute der siegreichen Kandidatin.

Die Oberbürgermeisterwahl in Köln hat die 58-Jährige gleich im ersten Durchgang gewonnen. Die parteilose Kandidatin, die von CDU, Grünen, FDP und den Freien Wählern unterstützt wird, holte knapp 53 Prozent der Stimmen. Ihr härtester Rivale, der SPD-Bewerber Jochen Ott kam auf 32 Prozent. Die anderen Bewerber spielten keine Rolle. Mark Benecke, der für die Satire-Gruppierung "Die Partei" antrat, kam auf über sieben Prozent. Der Vertreter der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), Hendrik Rottmann, erreichte lediglich vier Prozent.

Die Wahl wurde überschattet durch ein schweres Attentat auf Reker bei einem Wahlkampftermin auf dem Wochenmarkt in Köln-Braunsfeld. Ein 44-jähriger arbeitsloser Maler und Lackierer, der in Köln wohnt, hatte der OB-Kandidatin mit einem Messer in den Hals gestochen. Er verletzte vier weitere Personen, darunter eine CDU-Ratsfrau, eine FDP-Politikerin und eine Wahlhelferin. Ein Bundespolizist überwältigte den Mann mit Hilfe von Umstehenden. Gestern wurde gegen den Attentäter Haftbefehl erlassen. Laut einem Gutachten gilt er als voll schuldfähig. Die Tat hatte einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Mit den Worten "Ich schütze euch alle" rechtfertigte der Mann das brutale Attentat. Gegenüber der Polizei erklärte er nach Recherchen unserer Redaktion, dass er Flüchtlinge für seinen Jobverlust verantwortlich mache. Reker galt ihm als besonders flüchtlingsfreundlich.

Laut "Spiegel Online" hatte der Täter in den 90er Jahren Kontakte in die rechtsextreme Szene, unter anderem zu der inzwischen verbotenen "Freien Arbeiter-Partei", die ein früherer HJ-Führer gegründet hatte.

Der unterlegene SPD-Kandidat Jochen Ott gratulierte der Siegerin und wünschte ihr baldige Genesung. Er mahnte, die Kölner Demokraten müssten zusammenstehen. Der in Köln wohnhafte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) wünschte sich, dass Reker eine "wirklich unabhängige Bürgermeisterin wird". Sven Lehmann, Landeschef der NRW-Grünen, meinte: "Das erste Ziel der neuen Regierung in Köln muss jetzt sein, den parteiübergreifenden Geist der Solidarität, den gestern nach dem Attentat ganz Köln erlebt hat, in das Rathaus zu retten." Der Landesvorsitzende und Bundesvize der CDU, Armin Laschet, glaubt nicht an einen Attentats-Effekt beim Kölner Wahlergebnis. "Dieses Ergebnis entspricht in etwa dem, was sich in den letzten Umfragen vor der Wahl schon abgezeichnet hatte: Diese Stadt wollte einfach einen politischen Wechsel", sagte Laschet.

(RP)
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