Nur Teilerfolg für Kreml-Kritiker

Brüssel/Moskau Der zu jahrelanger Haft verurteilte Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski (47) ist gestern mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gescheitert. Der einst reichste Mann Russlands wirft dem damaligen Präsidenten Wladimir Putin vor, das Verfahren gegen ihn inszeniert zu haben, weil er als Kreml-Gegner die Opposition mit finanziert habe. Doch die Straßburger Richter wiesen die Klage in diesem wesentlichen Punkt ab. Es gebe zwar den Verdacht auf ein politisch motiviertes Verfahren, aber es fehlten "wasserdichte Beweise". Die Tatsache, dass politische oder geschäftliche Gegner von seiner Festnahme profitiert hätten, dürfe beim Verdacht auf Straftaten kein Hindernis für einen Prozess darstellen, so die Richter. "Der politische Status garantiert keine Immunität." Die Behörden müssten auch gegen Regierungskritiker vorgehen können.

Immerhin: Die russische Führung muss Chodorkowski 10 000 Euro Schadenersatz und gut 14500 Euro Prozesskostenerstattung wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte zahlen. Seine Vorführung in einem Käfig im Moskauer Gerichtssaal bewertete das Gericht als "erniedrigend". Auch die Untersuchungshaft zwischen August und Oktober 2005 in einer weniger als vier Quadratmeter großen Zelle mit "entsetzlichen" sanitären Anlagen sei "unmenschlich" gewesen. Die Umstände der Festnahme stuften die Richter als nicht rechtmäßig ein, da der Ölmanager als Zeuge festgenommen und schon Stunden später angeklagt wurde, und zwar mit einer 35 Seiten umfassenden Schrift. Auch die zweimal ohne Gründe verlängerte Untersuchungshaft verstoße gegen die Menschenrechtskonvention. Die Anwälte Chodorkowskis äußerten sich zufrieden über das Urteil, das eine "beeindruckende Liste von Menschenrechtsverletzungen" anerkannt habe. Der russische Vertreter beim Menschenrechtsgericht kündigte Berufung an. Hätte Chodorkowski auf ganzer Linie Recht bekommen, wäre das vor allem ein schwerer politischer Schlag für Putin gewesen, der nächstes Jahr wieder bei der Präsidentenwahl antreten könnte. Er hatte Chodorkowski erst unlängst als Dieb bezeichnet.

Das Urteil aus Straßburg bezieht sich auf das erste Verfahren gegen Chodorkowski. Der frühere Eigner des Ölkonzerns Yukos war im Dezember 2010 in einem zweiten Prozess wegen Geldwäsche und Unterschlagung zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. In der vergangenen Woche scheiterte Chodorkowski mit einem Antrag auf Berufung; das Moskauer Stadtgericht verkürzte seine Haft jedoch auf 13 Jahre.

(RP)
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