Moskau Nur eine Musikerin von Pussy Riot kommt frei

Moskau · Am Ende fallen sie sich um den Hals, in ihrem Glaskasten. Ein Ende, das überraschend ist, für die Anwälte, die Beobachter, für ihre Eltern, Freunde und Unterstützer, ja auch für die Frauen von Pussy Riot selbst: "Freispruch auf Bewährung", sagt die Richterin am Moskauer Stadtgericht. Der Rest ihrer Worte verschwindet im Applaus, in Freudenschreien. Nicht zwei Jahre Straflager, sondern Freiheit direkt aus dem Gerichtssaal heraus – aber nur für eine der drei Frauen.

Weil Jekaterina Samuzewitsch (30) sich weniger habe zuschulden kommen lassen als im Urteil der ersten Gerichtsinstanz am 17. August behauptet, setzt die Berufungsrichterin Larissa Poljakowa die Haft zur Bewährung aus: Anders als ihre beiden Mitstreiterinnen Maria Aljochina (24) und Nadeschda Tolokonnikowa (22) kam Samuzewitsch im Februar gar nicht dazu, mit einer Strumpfmaske im Altarraum der orthodoxen Moskauer Erlöserkathedrale für ein politisches Ende des "Dauerpräsidenten" Wladimir Putin zu protestieren. Vor der Aktion war Samuzewitsch von einem Wachmann der Kirche verwiesen worden.

Die beiden anderen riefen, die Gesichter unter bunten Häkelmasken versteckt, die Muttergottes an, sie möge doch Putin – damals kurz vor seiner Wiederwahl – vertreiben. Nicht einmal 40 Sekunden dauerte die Aktion. Wegen Rowdytums aus religiösem Hass waren die Frauen im August verurteilt worden.

Als Samuzewitsch das Gericht verlässt, blühen schon Verschwörungstheorien: Die 30-Jährige habe sich kaufen lassen, sich mit dem Staat eingelassen und so mit der Band gebrochen. Die Verurteilte selbst sagt noch in ihrem Käfig, einen solchen Bruch gebe es nicht. "Unser Auftritt war eine politische Aktion gegen den Präsidenten, gegen die starke Verbindung zwischen Kirche und Kreml. Sollten wir Gefühle von Gläubigen verletzt haben, so entschuldige ich mich dafür", sagt sie.

Auch Tolokonnikowa und Aljochina bitten das Gericht, ihre Urteile aufzuheben – vergebens. Ihre Anwälte kündigen weiteren Kampf an. "Das ist ein politisches Urteil, die Politik kann es so drehen und wenden, wie es ihr gerade passt", sagt Mark Fejgin, der Anwalt der beiden jüngen Mütter, die nun in eine Strafkolonie kommen.

Wohin genau, ist unklar. "Wir werden nicht schweigen. Auch in Sibirien nicht. Dieses Urteil ist beschämend für das Land", sagt Maria Aljochina im Glaskäfig. Zwei Stunden später wird sie aus dem Käfig geführt, wieder in Handschellen.

(RP)
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