Untersuchungsausschuss NSA entwickelt sich zum Dauerproblem

Berlin · Der jüngste Spionageskandal ist nur ein neuer Höhepunkt in den deutsch-amerikanischen Verstimmungen.

In Kürze jährt sich das größte öffentliche Geheimdienst-Missverständnis des vergangenen Sommers: Ronald Pofallas angebliche Beendigung der NSA-Affäre. Häme schlug dem Kanzleramtsminister entgegen, als er auf dem Höhepunkt der Empörung über das vermeintliche Sammeln von Daten über die Kommunikation von Millionen Deutschen durch den US-Geheimdienst NSA schlicht erklärte: "Die Vorwürfe sind vom Tisch."

Das bezog sich aber nicht auf die komplette NSA-Affäre, sondern auf den konkreten Verdacht einer flächendeckenden Kommunikationsüberwachung in Deutschland. Tatsächlich hatte sich herausgestellt, dass hinter den Vorwürfen die Sammlung von Daten von Telefonaten und E-Mails im Ausland standen, vor allem in Afghanistan. Jüngst bestätigte sich erneut, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) solche Informationen mit den USA teilt - aber erst nach dem Löschen aller Kontaktdaten von Deutschen. Denn das Ausforschen dieser Kommunikation ist dem deutschen Auslandsgeheimdienst nicht gestattet.

Pofalla mag mit dem Satz von den Vorwürfen, die vom Tisch seien, tatsächlich den Wunsch verbunden haben, das Sommerthema endlich vom Hals zu kriegen. "Beendet" hatte er die Affäre jedoch nicht, wie sich Monate später herausstellte, als die Nachricht vom Abhören des Kanzlerin-Handys neue Empörung auslöste. Und ein Jahr später ist immer noch nichts ausgestanden, gewinnt das Thema NSA mit dem BND-Spionageskandal sogar wieder deutlich mehr Dynamik.

Neue Bewegung war in das Thema auch schon Stunden vor Bekanntwerden des Geheimdienstverrates rund um den Untersuchungsausschuss gekommen: Die beiden früheren NSA-Mitarbeiter Thomas Drake und William Binney hatten bei einer nächtlichen Befragung durch den Untersuchungsausschuss nicht nur die riesige weltweite Sammelwut der Nationalen Sicherheitsbehörde bestätigt, sondern auch den BND beschuldigt, davon zu wissen und die NSA dabei intensiv zu unterstützen. Der BND habe sich zu einen "Wurmfortsatz der NSA" entwickelt, sagte Drake.

Die NSA war nach den traumatisierenden Anschlägen vom 11. September 2011 massiv aufgerüstet worden, um mögliche neue Terrorgefahren frühzeitig aufdecken zu können. Und natürlich gehörte Deutschland zu den ersten Ländern, die in den Blick gerieten, hatte sich die Terrorzelle doch zuvor in Hamburg ungestört auf die Anschläge in den USA vorbereiten können. In der Folge profitierten die deutschen Sicherheitsbehörden wiederholt von Kommunikation, die die Amerikaner abgefangen hatten: Unter anderem die Sauerland- und die Düsseldorfer Terrorgruppe nahmen die Behörden rechtzeitig hoch, weil die Amerikaner die Deutschen gewarnt hatten.

Die Zusammenarbeit nutzte andererseits auch den USA, wie sich nach dem Irak-Krieg herausstellte, den Deutschland offiziell ablehnte und keinesfalls unterstützte. Doch BND-Agenten sollen aus Bagdad Koordinaten geliefert haben - von (humanitären) "Nicht-Zielen", behauptet die Regierung. Die Opposition mutmaßt, dass auch etliche Angriffskoordinaten dabei gewesen seien. Ein weiterer Verdacht bezieht sich auf die Übermittlung von Handydaten Terrorverdächtiger durch den BND, die danach Opfer von US-Drohnenangriffen werden sollten.

Bemerkenswert ist der Stimmungsumschwung von Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Noch im Februar kritisierte er das "maßlose" Vorgehen der NSA gegen Deutsche. Inzwischen hat er die Kritik eingestellt und betont den Nutzen der Zusammenarbeit angesichts gewachsener Terrorgefahren.

(may-)
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