Washington NSA darf vorerst nicht mehr schnüffeln

Washington · Die Datensammelwut des US-Geheimdienstes hat die Welt empört. Wegen der Republikaner ist damit zunächst Schluss.

Nach einem nächtlichen Parlamentsdrama darf der US-amerikanische Geheimdienst NSA vorläufig keine Verbindungsdaten amerikanischer Telefonkunden mehr sammeln. Eine bemerkenswerte Rebellion des libertären Republikaners Rand Paul ließ den Versuch scheitern, den "Patriot Act" unverändert zu verlängern - jenes nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beschlossene Gesetz, dessen sich die NSA bei ihrer Spähoffensive bedient. Ziel des "Patriot Act" war es, die Möglichkeiten der Sicherheitsorgane zur Verhinderung von Anschlägen zu erweitern.

Eine Schlüsselpassage der Novelle, der Paragraf 215, der es den Geheimdiensten gestattet, alles an Informationen zu speichern, was ihre Anti-Terror-Strategen für "relevant" halten, ist damit ausgelaufen. Die Pause dürfte aber nur von kurzer Dauer sein. Noch in dieser Woche will der Senat eine Novelle des Repräsentantenhauses aufgreifen - den "USA Freedom Act". Am Kern des Abhörprogramms wird sich deshalb nur wenig ändern. Künftig, darin besteht der wesentliche Unterschied, dürfen nur noch die Telefonanbieter Verbindungsdaten bunkern, während die NSA um richterliche Genehmigung bitten muss, wenn sie Einsicht nehmen will. "Es ist kein großer Sieg für den Datenschutz, aber immerhin ein symbolischer", sagt Bruce Schneier, einer der weltweit führenden Experten für Computersicherheit.

Wäre es nach Mitch McConnell gegangen, dem konservativen Mehrheitsführer der kleineren der beiden Kongresskammern, wäre der "Patriot Act" nach wie vor in Kraft, ohne auch nur um ein Komma korrigiert worden zu sein. In einer Zeit, da die Fanatiker der Terrormiliz "Islamische Staat" ihre Macht in Nahost festigten und die Terrorgefahr wachse, dürfe man ein so nützliches Instrument nicht leichtfertig aus der Hand geben, lautete das Argument des Veteranen. Doch bei dem Versuch, seine Fraktion auf Linie zu bringen, erlitt McConnell Schiffbruch.

Denn die Hartnäckigkeit von Parteifreund Rand Paul stand ihm im Weg, der im Streit mit dem "Kraken" NSA sein Profil schärft wie bei keinem anderen Thema. Paul, wie McConnell ein Republikaner aus Kentucky, bewertet Eingriffe des Staates generell als Attacken auf die individuelle Freiheit. Einmal hielt der frühere Augenarzt eine 13-stündige Dauerrede, um die Berufung John Brennans, des Architekten des amerikanischen Drohnenkriegs, zum CIA-Direktor zu blockieren. Nun kandidiert der 52 Jahre alte Paul fürs Weiße Haus - da kann eine aufsehenerregende Debattenrede nicht schaden.

Und so duellierte sich Paul mit seinem Fraktionschef, indem er dessen düstere Warnungen, wonach man im Ringen mit terroristischen Bösewichten nicht eine Sekunde "im Dunkeln tappen" dürfe, mit beißendem Spott bedachte: "Die Leute, die behaupten, das Ende der Welt naht, wir werden von Dschihadisten überrannt, wollen doch nur Furcht säen." Im Übrigen seien es Informationen über amerikanische Bürger, die da systematisch gesammelt würden. Dem einen Riegel vorzuschieben, dafür seien die Rebellen um George Washington seinerzeit in die Schlacht gezogen. "Wollen wir unsere Freiheit tatsächlich derart blind opfern?", fragte Paul.

US-Präsident Barack Obama wiederum klang vor der Kraftprobe, als wäre er das Echo McConnells, seines sonst so raffinierten Gegenspielers, der ihn mit geschickten Manövern ausbremst, wo immer es geht: "Die Terroristen werden nicht eine Minute nach Mitternacht aufhören, Komplotte gegen uns zu schmieden", mahnte Obama in seiner wöchentlichen Radioansprache. Bei aller Rhetorik: In Wahrheit dürfte er recht zufrieden sein mit dem Ausgang des Duells, wie es sich im Moment abzeichnet. Die 60-Stimmen-Mehrheit, die benötigt wird, um den "Freedom Act" auch im Senat passieren zu lassen, scheint garantiert.

Das Weiße Haus kann mit der Mini-Reform gut leben. Nachdem Edward Snowden das Ausmaß des Sammelwahns 2013 offengelegt hatte, war es Obama selbst, der anregte, das Speichern von Verbindungsdaten künftig allein den Telefonkonzernen zu überlassen.

(RP)
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