NRW-Justizminister Peter Biesenbach "Mehr Staatsanwälte in kleinen Orten"

Düsseldorf · Der neue NRW-Justizminister will Kriminelle auch abseits der Großstädte im Blick halten und härter gegen Drogen im Gefängnis vorgehen.

 Justizminister Peter Biesenbach (CDU) fordert zusätzliche Hilfsangebote für Opfer von Gewalttaten.

Justizminister Peter Biesenbach (CDU) fordert zusätzliche Hilfsangebote für Opfer von Gewalttaten.

Foto: dpa, fg tba

Die Wände in seinem Ministerbüro am Düsseldorfer Martin-Luther-Platz sind noch kahl. Sein Vorgänger Thomas Kutschaty hatte den Raum mit privater Kunst geschmückt. Die hat er mitgenommen. Und der neue NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) hatte noch keine Zeit für Kunst.

Herr Biesenbach, beim G 20-Gipfel in Hamburg waren Hunderte Bürger Opfer von Gewalttätern. Welche Schlüsse zieht NRW?

Biesenbach Wir werden in NRW einen Opferbeauftragten berufen, an den sich die Opfer von Straftaten wenden können. Eine solche Einrichtung gibt es in dieser Form noch in keinem anderen Bundesland, in ähnlicher Form allerdings in Berlin. Der Opferbeauftragte wird zentrale Anlaufstelle für Opfer sein und ihnen zum Beispiel Informationen über ihre Rechte geben und Hilfsangebote Dritter bündeln.

Wie groß soll das neue Büro des Opferbeauftragten sein?

Biesenbach Ich denke, vier gut ausgebildete Mitarbeiter reichen für den Anfang. Aber diese Investition sollte uns die Unterstützung der Opfer von Straftaten wert sein. Es gibt viele Menschen und Organisationen, die Betroffenen von Straftaten helfen wollen und können - da kann es schon sehr hilfreich sein, wenn eine zentrale Stelle informiert und auch koordiniert. Ein Anruf bei der Hotline - und schon wird geholfen.

Die neue Stelle wird Geld kosten.

Biesenbach Wir dürfen die Opfer von Schlägern oder von Einbrechern nicht alleinelassen.

Wie bewerten Sie die Lage nach dem G 20-Gipfel in Hamburg?

Biesenbach Es ist wie nach der Kölner Silvesternacht: Niemand wusste, wohin sie oder er sich wenden sollte, um Unterstützung zu bekommen. Das erleben wir jetzt auch in Hamburg. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass die Politik verkündet hat, wenigstens für Sachschäden aufzukommen.

Brauchen wir auch höhere Entschädigungen für Opfer von Straftaten?

Biesenbach Wir müssen uns das nun 41 Jahre alte Opferentschädigungsgesetz genau anschauen. Wir müssen klarer machen, wer wann eine Entschädigung bekommt, wenn er wegen eines körperlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Aber das ist Sache des Bundesgesetzgebers.

Wie kann ein Justizminister für weniger Straftaten sorgen?

Biesenbach Wir müssen gerade bei jungen Menschen einen höheren Respekt vor dem Rechtsstaat durchsetzen. In einigen Städten haben wir bereits "Häuser des Jugendrechts" eingerichtet, in denen Staatsanwälte, Richter oder auch Bewährungshelfer sich sehr eng austauschen. Schon bei vermeintlich kleinen Straftaten müssen wir schnell klarmachen, dass wir das nicht dulden. Darum will ich abseits der Großstädte auch deutlich mehr Staatsanwälte vor Ort.

Was meinen Sie damit?

Biesenbach Die Staatsanwälte sollten in kleineren Orten wie beispielswiese Waldbröl oder Geldern direkt beim Amtsgericht sitzen, statt sich in einer zentralen Staatsanwaltschaft um den jeweiligen Ort zu kümmern. Die Staatsanwaltschaft bekommt so ein Gesicht vor Ort, und wir haben die entsprechenden Gruppen besser im Blick. Außerdem hilft dies, Verfahren auch auf dem Land zu beschleunigen.

Streben Sie insgesamt schnellere Verfahren an?

Biesenbach Ja, in geeigneten Fällen sollte die Strafe der Tat unmittelbar auf dem Fuß folgen. Täter gestehen bei beschleunigten Verfahren überdurchschnittlich oft und verzichten zumeist auf Rechtsmittel.

Bisher ist das beschleunigte Verfahren nur bei Strafen bis zu einem Jahr möglich. Soll sich das ändern?

Biesenbach Ja, ich werde mich dafür einsetzen, dass die beschleunigten Verfahren auch für Strafen von bis zu zwei Jahren angewendet werden.

In manchen Kreisen werden Straftaten überhaupt nicht angezeigt. Ein Problem?

Biesenbach Ja, wir müssen endlich gegen das Phänomen einer privaten Paralleljustiz vorgehen, ein in Nordrhein-Westfalen bisher totgeschwiegenes Thema. Weder die Scharia noch die Mafia und auch nicht Moskau-Inkasso sprechen in Deutschland Recht, sondern alleine der Staat. Als ersten Schritt werden wir nun einen landesweiten Lageplan zur Paralleljustiz erarbeiten, also eine Analyse, welche Rolle sie wo im Land spielt.

Zu Ihren Zielen gehören auch drogenfreie Gefängnisse ...

Biesenbach ... ja ...

... gibt es das schon irgendwo?

Biesenbach Nein. Aber deshalb muss man ja trotzdem dieses Ziel verfolgen. Hierzu brauchen wir mehr Drogenspürhunde. Das allein wird aber nicht reichen. Denn so viele Hunde, wie man dafür benötigen würde, können auf die Schnelle nicht ausgebildet werden.

Was ist Ihr Ansatz?

Biesenbach Wir müssen den Drogenhandel in den Gefängnissen unterbinden. Dafür nutzen die Täter illegale Mobiltelefone. Wenn wir die aus den Gefängnissen herausbekommen, wird es in den Gefängnissen weniger Drogenhandel geben.

Gefängnisse sind auch Brutstätten der Radikalisierung. Was kann der Staat dagegen tun?

Biesenbach Als die Gefängnisse noch Brutstätten der Mafia-Organisationen waren, haben wir die Leute auseinandergezogen. Mit einem geschickten Belegungsplan schränken wir auch die Versuche radikaler Islamisten ein, in Gefängnissen für Terror zu werben. Außerdem werde ich in den Gefängnissen Nordrhein-Westfalens keine Imame mehr dulden, die nicht bereit waren, sich vom Verfassungsschutz überprüfen zu lassen.

Sie haben viel vor. Wie viele neue Staatsanwälte und Richter braucht die Justiz in NRW?

Biesenbach Ich rechne damit, dass wir mittelfristig 500 neue Richter und Staatsanwälte brauchen.

Müssen Sie junge Juristen mit mehr Geld locken?

Biesenbach Nein. Viele unserer neuen Richter und Staatsanwälte kommen aus Kanzleien, in denen sie mehr Geld verdienten. In der Justiz dienen sie der Allgemeinheit, können auch von zu Hause arbeiten und sind unabhängig. Das macht uns zu einem attraktiven Arbeitgeber, auch für Spitzenleute.

Die Verwaltungsgerichte ächzen unter den Asylverfahren. Wie kann man sie entlasten?

Biesenbach Ich werbe derzeit bei den Präsidenten aller Gerichte. Von dort könnten Richter an die Verwaltungsgerichte abgeordnet werden. Ich hoffe, dass wir die Lage so wenigstens verbessern.

Reinhard Kowalewsky, Henning Rasche und Thomas Reisener führten das Gespräch.

(rky, tor, her)
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