Düsseldorf NRW: Jedes fünfte Kind in Hartz IV

Düsseldorf · Die Kinderarmut wächst im Land deutlich stärker als im Bundesschnitt. Gewerkschaften, Kirchen und Verbände fordern eine gerechtere Verteilung der Leistungen für Familien.

Nahezu jedes fünfte Kind in NRW ist auf finanzielle Hilfe vom Staat angewiesen. Das geht aus Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor, auf die Sabine Zimmermann, Bundestagsabgeordnete der Linken, gestern hinwies. Im Dezember 2015 waren in NRW knapp 435.300 unter 15-Jährige auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Das waren gut 15.800 oder 3,8 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Damit legte die Kinderarmut in NRW deutlich stärker zu als im Bundesdurchschnitt und lag mit 18,5 Prozent erheblich über dem Wert für Gesamtdeutschland (14,4 Prozent).

Die Zahl der jungen Hartz-IV-Bezieher in NRW dürfte im Verlauf des Jahres noch steigen. Ein Grund dafür ist nach Aussagen von Werner Marquis, Sprecher der NRW-Regionaldirektion der BA, die starke Zuwanderung. Wenn der Asylantrag eines arbeitslosen Flüchtlings positiv beschieden ist, taucht er im System der Grundsicherung auf. "Wir rechnen damit, dass die Zahl der Hartz-IV-Bezieher wegen der Flüchtlingssituation mit dem Spätsommer steigen wird", sagte Marquis. Da unklar sei, wie viele der Antragsteller am Ende anerkannt würden, sei eine seriöse Prognose für das laufende Jahr derzeit nicht möglich. Angesichts eines weiterhin robusten Arbeitsmarkts arbeitet ihre Behörde Marquis zufolge verstärkt daran, dass bei den jungen Menschen keine "Sozialhilfe-Karrieren" - also Generationen von Hartz-IV-Beziehern - entstehen. Hilfreich sei es, berufliche Perspektiven aufzuzeigen, etwa durch die sogenannte assistierte Ausbildung. Dabei werden Jugendliche von der Schule bis zum Abschluss ihrer Ausbildung betreut.

Innerhalb von NRW gebe es bei der Verteilung der Hartz-IV-Bezieher aber deutliche Unterschiede, hieß es aus der Düsseldorfer Staatskanzlei. Das Armutsrisiko liege etwa im Ruhrgebiet und in der Region Aachen deutlich über dem Landesdurchschnitt, in den übrigen Regionen dafür aber darunter.

Bundesweit am schwierigsten ist die Lage laut BA jedoch in Bremen und Berlin mit 31,5 Prozent. Prozentual am wenigsten Betroffene gibt es in Bayern mit 6,5 Prozent.

Genau betrachtet gehe es beim Thema Kinderarmut um die Armut ihrer Eltern und deren Auswirkung auf die Kinder, sagte die Linkenpolitikerin Zimmermann. Darin spiegele sich die in vielen Regionen immer noch angespannte Arbeitsmarktlage mit zu wenigen Arbeitsplätzen und Niedriglöhnen wider.

30 Sozialverbände und Gewerkschaften rund um die Diakonie forderten von der Politik Konzepte gegen Kinderarmut. "Das derzeitige System der kinder- und familienbezogenen Leistungen konnte nicht verhindern, dass die Kinderarmut in den letzten Jahren noch gewachsen ist", stellten sie fest. Kinder aus gut situierten Familien würden in Deutschland immer noch stärker gefördert als Kinder aus Hartz-IV-Haushalten. Gutverdiener erhielten durch Steuerentlastungen pro Kind bis zu 277 Euro im Monat, während Normalverdiener 190 Euro und Hartz-IV-Empfänger gar kein Kindergeld bekämen, da die Leistung verrechnet werde.

(RP)
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