NRW-Grüne streiten über Datteln

Auf dem Landesparteitag in Emsdetten wurde harsche Kritik an der Parteispitze laut. Doch der Antrag aus dem Ortsverband Waltrop, sich auf ein klares Nein zu dem im Bau befindlichen Kohlekraftwerk festzulegen, wurde mit großer Mehrheit abgeschmettert.

Emsdetten Sonntag Mittag kommt dann doch noch Schärfe rein. Bis dahin ist der am Vortag eröffnete Grünen-Parteitag im münsterländischen Emsdetten ziemlich harmonisch verlaufen. Aber als der grüne Sozialwissenschaftler Lars Holtkamp ans Rednerpult tritt, ist es damit vorbei. "Die Grünen haben alle Wahlversprechen gebrochen", poltert Holtkamp los. Vor der Landtagswahl habe die Parteispitze beteuert, dass das Kohlekraftwerk Datteln niemals ans Netz gehen werde. Doch jetzt drücke sie sich und wolle nichts entscheiden. Auch die Landtagsfraktion "schleicht sich aus der Verantwortung".

Holtkamp, der aus Waltrop im Kreis Recklinghausen stammt, will, dass die Grünen ein Aus für Datteln beschließen. In seinem Antrag heißt es, Datteln sei ein "Schwarzbau, der aus rechtsstaatlichen und umweltpolitischen Gründen nicht weitergebaut werden sollte." Die Grünen würden sich "mit allen politischen und rechtlichen Mitteln dafür einsetzen, dass das Skandalkraftwerk nicht ans Netz geht".

Das Kraftwerk, in das der Energieriese Eon bereits 800 Millionen Euro investiert hat, kann (vorläufig?) nicht zu Ende gebaut werden, weil es in der Planungs- und Bauphase schwere Verstöße gegen geltendes Recht gab. Deswegen wurde das Projekt mit Europas höchstem Kühlturm gerichtlich gestoppt. Der Abstand der Anlage zur Wohnbebauung ist mit nur 400 Metern viel zu gering, wie auch Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen feststellt: "So nah dürfte noch nicht einmal ein Windrad gebaut werden."

Dennoch hält Priggen die Kritik Holtkamps für unberechtigt. Dessen Behauptung, der Parteitag wolle am liebsten gar nicht über den Antrag aus Waltrop diskutieren, sei geradezu unanständig. Die Grünen lehnten bekanntlich Kohlekraftwerke ab, während der Koalitionspartner SPD eine "dramatisch andere Auffassung" vertrete. Doch das weitere Anhörungsverfahren zu Datteln müsse nach Recht und Gesetz ablaufen. Was am Ende dabei herauskommt, könne derzeit niemand sagen: "Das wird letztlich vor Gericht entschieden." Parteichefin Monika Düker argumentiert genau so und erntet Applaus für ihre Bemerkung: "Kohlekraftwerke müssen aussterben, weil es um unser Überleben geht." (Dass sich SPD-Regierungschefin Hannelore Kraft derweil in einem "Spiegel"-Interview mit großem Nachdruck für Kohlekraftwerke ausspricht, sei nur am Rande vermerkt).

Irene Mihalic aus Gelsenkirchen hat jedenfalls für die Angriffe Holtkamps kein Verständnis. Hier werde versucht, einen Keil in die Partei zu treiben, sagt sie. Am Ende der erregten Debatte wird der Waltroper Antrag mit großer Mehrheit abgeschmettert. Die Drohung Holtkamps mit einer Klage gegen die rot-grüne Regierung läuft ins Leere.

Trotz dieser Ruppigkeiten gilt die Delegiertenkonferenz als "Wohlfühl-Parteitag". In Emsdetten sollte eine Zwischenbilanz nach zehn Monaten Rot-Grün gezogen werden. Die Minderheitsregierung sei ein Wagnis gewesen, hat Düker zu Beginn gesagt. Die Grünen fürchteten Neuwahlen nicht, doch die CDU wolle das nicht. Das Amt des Bundesministers sei für CDU-Landeschef Norbert Röttgen offenbar interessanter als der Wechsel nach Düsseldorf.

Lautstark lobt Ministerin Sylvia Löhrmann ihre Schulpolitik. Es sei "wunderbar, dass unser Schulkonzept aufgeht", ruft sie den Delegierten zu. 50 Kommunen wollten inzwischen die Gemeinschaftsschule. Das sei ein "wahnsinniger Erfolg". Sie sei zuversichtlich, dass es mit der CDU zu einem Schulkonsens und damit zu einem Ende der Verfassungsgarantie für die Hauptschule kommen könne.

Noch bevor Umweltminister Johannes Remmel die Atompolitik der Bundesregierung zerpflückt, markiert Fraktionschef Priggen eine finanzpolitische Haltelinie, die den Sozialdemokraten gar nicht gefallen dürfte. Die SPD liebäugelt mit der Streichung der Elternbeiträge für ein weiteres Kita-Jahr, wie Familienministerin Ute Schäfer erst unlängst zu erkennen gegeben hat.

Dafür sehe er bis zum Ende dieser Legislaturperiode, also wohl bis 2015, keine Spielräume, hält Priggen dagegen. Im Gegenteil müssten mit Blick auf die Schuldenbremse alle Investitionen auf den Prüfstand: "Wir werden einsparen müssen." Am Rande des Parteitags rechnet er Journalisten vor, dass der Etat für das nächste Jahr "nicht einfacher werden wird". Allein 400 Millionen Euro entfielen auf die Tariferhöhung im öffentlichen Dienst, und um 300 Millionen Euro vergrößerten sich die Pensionslasten. Priggen: "Da ist kein Raum für größere Geschenke." Das gelte auch für den Wunsch Ibbenbürens nach einem Forschungsbergwerk.

Die Grünen wenden sich auf ihrem Parteitag auch gegen die Förderung von Erdgas mit Hilfe von Wasser und Chemikalien (sogenanntes Fracking). Erste Versuchsbohrungen hat es auch im Münsterland schon gegeben, wo sich inzwischen Bürgerinitiativen gebildet haben. Die Grünen fordern die Novellierung des Bundesberggesetzes und die Beweislastumkehr im Fall von Bergschäden sowie verbesserte Klagemöglichkeiten.

Gegen Ende des Parteitags geht es noch um ein ganz anderes Thema: Katzen. Um den unkontrollierten Anstieg der Katzenpopulation zu unterbinden, sollen Katzen, die draußen frei herumlaufen dürfen, zuvor vom Tierarzt kastriert und mit Mikrochip oder Tätowierung markiert werden.

(RP)
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