Berlin NRW beschwert sich bei türkischen Konsuln

Berlin · Die ins Visier des türkischen Geheimdiensts geratene Abgeordnete Müntefering verlangt Konsequenzen.

Die SPD-Abgeordnete Michelle Müntefering hat sich entsetzt über türkische Denunziation geäußert und nach der Gülen-Listen-Affäre Konsequenzen für die offizielle deutsch-türkische Zusammenarbeit gefordert. "So wie bislang kann es wohl nicht bleiben", sagte sie in Berlin.

Die Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe war am Montag vom Bundeskriminalamt darüber informiert worden, dass sie ins Visier des türkischen Geheimdienstes geraten ist. Ihr Name stand auf einer Liste mit in Deutschland lebenden mutmaßlichen Anhängern der Gülen-Bewegung, die in der Türkei unter Terrorismus-Verdacht steht. Die Türkei erhoffte sich ein Vorgehen der deutschen Behörden gegen die mutmaßlichen Gegner des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Sie habe in der Tat Kontakte mit Vertretern der Gülen-Bewegung gehabt, mit Pro-Erdogan-Gruppen allerdings noch öfter, erläuterte Müntefering. Es entsetze sie, mit welchen Methoden Menschen denunziert werden sollen. "In der Türkei ist es bereits weit über 100.000 Menschen so ergangen", erklärte sie. Die hätten jedoch dort keinen Rechtsstaat und seien suspendiert oder inhaftiert worden.

NRW-Europaminister Franz-Josef Lersch-Mense (SPD) berichtete, dass die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden sämtliche Personen auf der Liste des türkischen Geheimdienstes aufgesucht und sie zum Beispiel vor Reisen in die Türkei gewarnt hätten. Damit sollten Repressalien verhindert werden. Es sei "absolut inakzeptabel", solche Listen zu erstellen - das habe die NRW-Landesregierung auch den türkischen Generalkonsulaten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

Neben der Ehefrau des früheren SPD-Vorsitzenden und Vizekanzlers befand sich nach Medienberichten auch eine Berliner Landespolitikerin auf der Liste: die CDU-Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner, die bis zum vergangenen Dezember auch dem CDU-Bundesvorstand angehörte.

Rund 300 Namen mit Adressen, Telefonnummern und Bildern von Überwachungskameras hatte der türkische Geheimdienst MIT im Februar Bruno Kahl, dem Chef des Bundesnachrichtendienstes, übergeben. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nannte die Liste eine "Provokation" und bedauerte deren Veröffentlichung.

Die Bundesregierung habe nach monatelangem Schweigen gegenüber Erdogan sehr viel Klartext nachzuholen, forderten die Grünen. "Sie muss die Zollunion und Rüstungsexporte in die Türkei stoppen, die Veröffentlichung der Beweise gegen Gülen und die Freilassung der Tausenden politischen Gefangenen einfordern", sagte Grünen-Außenexperte Omid Nouripour. Zudem verlangte er von der Bundesregierung, der deutschen Bevölkerung zu erklären, wie sie sie vor weiteren Spionage-Angriffen aus Ankara schützen wolle.

(may-)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort