NPD-Mitglied arbeitete auch im Verfassungsschutz NPD-Verbot: Karlsruhe hebt Verhandlungstermine auf

Karlsruhe (rpo). Das Bundesverfassungsgericht hat die fünf im Februar geplanten Verhandlungstermine im NPD-Verbots-Verfahren nach eigenen Angaben aufgehoben.

Karlsruhe (rpo). Das Bundesverfassungsgericht hat die fünf im Februar geplanten Verhandlungstermine im NPD-Verbots-Verfahren nach eigenen Angaben aufgehoben.

Der Verbotsprozess gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht droht zu platzen. Der Zweite Senat beschloss am Dienstag in Karlsruhe, die für Februar geplanten fünf öffentlichen Verhandlungstermine abzusagen. Die Verbotsanträge stützten sich auch auf Äußerungen eines führenden NPD-Funktionärs, von dem jetzt bekannt geworden sei, dass er Mitarbeiter des Verfassungsschutzes war. Dies werfe "prozessuale und materielle Rechtsfragen" auf, die bis zur Verhandlung nicht geklärt werden könnten.

Die Karlsruher Richter erfuhren offenbar nur zufällig von der V-Mann-Tätigkeit: Ein Abteilungsleiter des Bundesinnenministeriums habe dem Gericht telefonisch mitgeteilt, dass ein geladener Zeuge eine Aussagegenehmigung vom Verfassungsschutz vorlegen werde. Dabei handle es sich um ein langjähriges Mitglied des NPD-Bundesvorstandes und des Vorstandes eines NPD-Landesverbandes. "Äußerungen dieser Anhörungsperson sind von den Antragstellern mehrfach als Beleg für die Verfassungswidrigkeit" der NPD angeführt worden, betonte der Zweite Senat.

Die neue Situation stellt nach Einschätzung des Gerichts sogar den Beschluss vom 1. Oktober vergangenen Jahres in Frage, mit dem das Verfahren nach Sichtung der vorgelegten Beweismittel förmlich eingeleitet worden war. Die Identität des V-Mannes war zunächst auch der NPD unbekannt. Ein Sprecher des NPD-Bundesvorstands sagte, die Partei wolle noch am Dienstagabend über die neue Situation beraten.

Der Zweite Senat unter Vorsitz von Gerichtspräsidentin Jutta Limbach hatte ursprünglich fünf Verhandlungstage zwischen dem 5. und 20. Februar angesetzt. Dazu waren insgesamt 14 Auskunftspersonen geladen worden, unter ihnen führende Vertreter der neonazistischen Szene wie der Hamburger Christian Worch und der Aktivist des inzwischen verbotenen Skinhead-Netzwerks "Blood & Honour" Thorsten Heise.

Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat hatten Anfang vergangenen Jahres beantragt, die NPD als verfassungswidrige Partei zu verbieten. Mitte Dezember war die rechtsextremistische Partei mit ihrem Antrag gescheitert, das Verfahren auszusetzen und vorab den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg anzurufen.

Limbachs Amtszeit endet bald

Das Verfahren steht ohnehin unter einem gewissen Zeitdruck, da die Amtszeit von Gerichtspräsidentin Limbach Ende März 2002 offiziell endet. Es ist allerdings in der Vergangenheit schon mehrfach vorgekommen, dass die Amtszeit um einige Monate verlängert wurde, weil ein Nachfolger noch nicht gewählt war.

Um die Arbeit in dem Mammutverfahren überhaupt bewältigen zu können, hat das Bundesverfassungsgericht bereits zusätzliches Personal bewilligt bekommen. Es handelt sich um vier wissenschaftliche Mitarbeiter, einen Rechtspfleger und eine Schreibkraft.

Die NPD veranstaltete laut Verfassungschutz im ersten Halbjahr 2001 rund 40 Aufmärsche und Kundgebungen. Die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten wird den Angaben zufolge von 9.700 im Jahr 2000 voraussichtlich auf mehr als 10.000 militante Neonazis und Skinheads steigen.

Der Prozessbevollmächtigte Horst Mahler und der zweite Beauftragte, der stellvertretende Parteivorsitzende Hans Günter Eisenecker, hatten stets betont, dass die Verbotsanträge unbegründet seien. Sie richteten sich gegen eine "Phantompartei", die nicht mit der NPD identisch sei.

Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 2 BvB 1/01 u.a.

(RPO Archiv)
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