Nordkoreas geheime Atomfabrik löst Besorgnis aus

Dem Stanford-Professor Siegfried Hecker, einem der führenden Nuklearwissenschaftler der USA, verschlug es die Sprache: Die nordkoreanische Regierung führte den früheren Leiter des US-Kernforschungszentrums Los Alamos in eine gigantische, bislang unbekannte Fabrik zur Urananreicherung nördlich von Pjöngjang .

Hecker erkannte auf den ersten Blick die neue potenzielle Atombombenschmiede Nordkoreas. Er sei "fassungslos" gewesen, wie technisch ausgefeilt die gesamte Anlage wirkte, gestand der Wissenschaftler in der "New York Times". Er konnte mit alarmierenden Details aufwarten: Er habe "Hunderte und Aberhunderte Zentrifugen" gesehen. Sie seien gerade erst aufgestellt worden und würden von einem "ultra-modern eingerichteten Kontrollraum" aus gesteuert.

Nordkoreanische Begleiter verboten ihm zwar, zu fotografieren oder sich an Ort und Stelle zu überzeugen, ob schon schwach angereichertes Uranium produziert wird. Aber sie berichteten ihm, dass sie 2000 Zentrifugen installiert und auch schon in Betrieb genommen hätten. Heckers verblüfftes Fazit: Das wegen seiner Atomaufrüstung unter verschärften UN-Sanktionen stehende Regime habe seine Atomanlage in nur 18 Monaten unbemerkt aufgebaut.

Die Enthüllung der "New York Times" über die geheime Atomwaffenfabrik hat die Regierungen der asiatischen Region und Nachbarstaaten Nordkoreas aufgeschreckt und unter Zugzwang gestellt. Pjöngjangs nukleare Rüstung ist offenbar sehr viel weiter gediehen, als sie alle bisher angenommen hatten.

Der US-Nordkorea-Beauftragte Stephen Bosworth ist in Seoul (Südkorea) eingetroffen, um den weiteren Umgang der asiatischen Nachbarn mit Nordkorea zu besprechen. Heute reist er weiter nach Tokio und dann nach China, dem einzigen politischen Verbündeten und wirtschaftlichen Unterstützer des hochgerüsteten Staates.

Die Fabrik will Nordkorea nach eigenem Bekunden zur Stromgewinnung für seinen Leichtwasserreaktor nutzen. So ähnlich argumentiert auch der Iran regelmäßig. Mit der neuen Technologie ist aber der von einer Familiendiktatur beherrschte Staat, in dem gerade der 27-jährige Sohn von Führer Kim Il-Jong zum General ernannt wurde und als designierter Nachfolger für Vater und Großvater in dritter Generation nachrückt, künftig in die Lage, sein Atomwaffenarsenal zügig auszubauen.

Mit angereichertem Uran kann es stärkere Nuklearwaffen herstellen als bisher. 2006 und 2008 testete Nordkorea unterirdisch zwei relativ schwache Bomben, für die es waffenfähiges Plutonium über die Wiederaufarbeitung von Brennstäben gewann. US- und südkoreanische Geheimdienste schätzen, dass das nordkoreanische Militär bisher lediglich über sechs bis acht Atomsprengkörper verfügt.

Eine der Fragen, die sich die USA nun besorgt stellen, lautet: Welcher Staat hat Nordkorea beim Bau dieser Urananreicherungsanlage technisch und materiell unterstützt? Ebenso unklar ist noch, mit welcher Absicht das Regime in Pjöngjang dem US-Experten Hecker seine neue Anlage gezeigt hat.

(Rheinische Post)
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