Ralf Jäger "Nötig sind Zelthallen für bis zu 1000 Menschen"

Der NRW-Innenminister will in Kürze die ersten Standorte bekanntgeben und fordert vom Bund eine Pro-Kopf-Pauschale.

Herr Minister, der CDU-Bundespolitiker Günter Krings wirft NRW Versäumnisse bei der Beschaffung von Unterkünften vor. Trifft Sie das?

Jäger Nein. Niemand hat diesen gewaltigen Anstieg der Flüchtlingszahlen vorhergesehen. Alle Länder stehen vor großen Herausforderungen. Herr Krings ist zu weit weg von der Praxis.

Wie wollen Sie die Engpässe bei der Erstaufnahme beseitigen?

Jäger Wir müssen Obdachlosigkeit verhindern. Das hat oberste Priorität. Die Menschen, die morgens zu uns kommen, müssen spätestens bis zum Abend ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit haben. Am besten geeignet sind große Einrichtungen, weil dort viele Menschen versorgt werden können. Das können auch Zelthallen für 700 bis 1000 Menschen sein. Ich hoffe, dass wir in Kürze über die ersten Standorte entscheiden können. Natürlich wird das Diskussionen auslösen, aber die Städte werden entlastet.

Können sich Städte weigern, Flüchtlinge aufzunehmen?

Jäger Nein. Diese Aufgabe können wir nur gemeinsam bewältigen.

Sollen Flüchtlinge verstärkt in den Osten Deutschlands?

Jäger Darauf müssten sich die 16 Länder verständigen. Das sehe ich nicht. Wir sollten uns auf Lösungen konzentrieren, die machbar sind.

Was ist mit einer Visumpflicht für Menschen vom Westbalkan?

Jäger Das löst das Problem nicht. Wenn jemand bei uns um Asyl bittet, müssen wir uns seiner annehmen.

Müsste man nicht die Zahl der sicheren Herkunftsländer um die des Westbalkan ausweiten?

Jäger Das würde die Bearbeitungszeit nur um eine Stunde verkürzen, denn die Behörden müssen auch die Anträge dieser Menschen prüfen. Die Lösung kann nur sein, die Zeit zur Bearbeitung der Asylanträge zu verkürzen. Sie beträgt jetzt durchschnittlich ein halbes Jahr. Das ist viel zu lang und geht zulasten der Kommunen und der Flüchtlinge. Deshalb muss der Bund dafür sorgen, dass mehr Personal die Anträge bearbeitet.

Sie fordern vom Bund eine Pro-Kopf-Pauschale für Flüchtlinge?

Jäger Das wäre eine Möglichkeit. Der Bund verfügt über ausreichend Geld, um die Kommunen nachhaltig finanziell zu unterstützen. Der Bund muss mehr tun. Flüchtlingspolitik ist eine nationale Aufgabe.

Könnten Flüchtlinge anfällig werden für islamistische Propaganda?

Jäger Nein, denn diese Menschen haben alles hinter sich gelassen und sind einfach nur froh, hier zu sein.

DETLEV HÜWEL UND CHRISTIAN SCHWERDTFEGER FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(RP)
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