Persönlich Nikolaus Schneider ... provoziert die Protestanten

Da spitzte das Kirchenparlament die Ohren: In seinen Jahresbericht an die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland im Ostseebad Timmendorfer Strand hatte Ratschef Nikolaus Schneider (65) auch eine Passage zur "Gottsuche in Grenzsituationen des Lebens" eingebaut. Aufgabe des Christen sei es, sagte Schneider, Sterbenden Mut zuzusprechen, ihr Lebensende in Gottes Hand zu legen. "Gleichwohl", so der rheinische Präses, "wird es Situationen geben, in denen auch Christen die Entscheidung von Menschen für ein selbstbestimmtes Sterben gegen ihre eigene Überzeugung respektieren und ihnen eine mitfühlende und seelsorgerliche Begleitung nicht verweigern."

Ein Christ, Pastor gar, der einem des Lebens Überdrüssigen hilft, vom Diesseits ins Jenseits zu kommen? Das löste irritierte Nachfragen aus. Ja, durchaus, erwiderte Schneider offen: "Wenn ein Mensch intensiv darum bittet, dann mache ich mir nach der reinen Lehre auch die Hände schmutzig." Wenn es "Spitz auf Knopf" stehe, "dann sind wir für die Menschen da und nicht für die Sauberkeit unserer Position". Nikolaus Schneider spricht vom Gottvertrauen in dunklen Stunden nicht bloß theoretisch – seine Tochter Meike starb 2005 an Leukämie. Dass die Sorge um leidende Menschen für ihn im Zweifel Vorrang vor Problemen der Lehre hat, hat er seither immer wieder klargemacht.

Trotzdem sind seine Worte starker Tobak, ja eine Provokation – der Wert menschlichen Lebens ist schließlich keine Bagatelle. Das ganze Bild erkennt allerdings nur, wer zusätzlich zur Rede vom Menschen auch den ersten Teil von Schneiders Bericht in den Blick nimmt, wo er von Gott spricht: Da hatte er vor einem "verharmlosenden Gottesbild" gewarnt, das die Menschen gerade in Extremsituationen zweifeln und verzweifeln lasse. Gott aber müsse "nah und fremd zugleich" sein. Einen Hang zur theologisch einfachen Lösung muss sich Schneider nicht vorwerfen lassen.

(RP)
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