London Niederlage ohne Not trifft Konservative

London · Theresa May muss sich nach ihrer Wahlschlappe in der eigenen Partei behaupten.

Theresa May setzt zu einer kurzen Rede an, ihre Stimme klingt brüchig. Dann fasst sie sich wieder. "In diesen Zeiten", sagt sie, "braucht das Land mehr als alles andere eine Periode der Stabilität. Wenn die Konservativen die meisten Sitze und die meisten Stimmen gewonnen haben, obliegt es uns, sicherzustellen, diese Phase der Stabilität zu bekommen, und das ist es, was wir tun werden." Viele ungelenke Worte, um eines zu sagen: Die Konservative Partei will weiterhin die Regierung stellen. Aufgeregte Fragen von Journalisten, ob sie selbst zurücktreten wird, ignoriert die Premierministerin.

Im Laufe des Vormittags wird ein zuvor geplantes Statement von Theresa May abgesagt. Spekulationen, ob die Premierministerin hinter den Kulissen von Parteikollegen zum Rücktritt gedrängt wird, schießen ins Kraut. Dann lässt Downing Street verlauten: Theresa May wird die Queen am frühen Freitagnachmittag aufsuchen und Elizabeth II. bitten, eine Regierung bilden zu dürfen. Damit ist klar: May will trotz der riesigen und ihr persönlich anzukreidenden Schlappe im Amt bleiben.

Als May von der Audienz mit der Queen zurückkommt, wirkt sie wieder so gefasst und resolut, wie man das bei ihren Ansprachen gewohnt ist. Im königsblauen Kostüm tritt May ans Rednerpult, das vor die Tür zu Number 10 Downing Street gestellt wurde, und wendet sich ans Volk. "Ich werde eine Regierung bilden", sagte sie, "die das Land durch diese schwierigen Zeiten und durch die kritischen Brexit-Verhandlungen führt, die in nur zehn Tagen beginnen". Dann wiederholt sie, was sie schon in den frühen Morgenstunden unterstrichen hatte: "Was das Land jetzt mehr als je zuvor braucht, ist Sicherheit. Mit den meisten Stimmen und Sitzen ist es klar, dass die Konservativen die Legitimität haben, dies bereitzustellen." Man werde, sagte May, "mit unseren Freunden und Alliierten in der Democratic Unionist Party im Besonderen zusammenarbeiten. Lasst uns an die Arbeit gehen!"

Doch noch ist es zu früh, um wissen zu können, wie es weitergeht. Großbritannien ist in eine Phase der Unwägbarkeiten eingetreten. Eine der vielen Fragen lautet: Wird sich May innerhalb ihrer eigenen Partei behaupten können, obwohl sie doch persönlich verantwortlich für die Wahlschlappe ist? Ihr großer Konkurrent, der Außenminister Boris Johnson, wird jetzt hinter den Kulissen ausloten wollen, ob Mays Rückhalt in der Fraktion noch ausreicht oder seine eigenen Chancen steigen. Immerhin hatte die Premierministerin ohne Not die Wahlen angesetzt, mit schwachen Wahlkampfauftritten ihre zuvor große Popularität verspielt, eine desaströse "Demenzsteuer", nach der ältere Mitbürger selbst für ihre Pflege aufkommen müssen, ins Wahlprogramm aufgenommen und dafür gesorgt, dass zwölf ihrer Fraktionskollegen den Job verloren haben. Konservative Parteivorsitzende sind schon für sehr viel weniger zum Rücktritt gezwungen worden.

May jedenfalls will ihr Amt nach dem Wahlsieg behalten und begann gestern bereits, die Personalentscheidungen für ihr Kabinett zu fällen. So will May Philip Hammond als Finanzminister und Boris Johnson als Außenminister behalten. David Davis soll Brexit-Minister bleiben und auch Innenministerin Amber Rudd sowie Verteidigungsminister Michael Fallon behalten ihre Jobs, teilte Mays Büro mit. Zuvor hatte es Spekulationen gegeben, dass Hammond wegen Differenzen mit May über den Haushalt ersetzt werden könnte. Johnson gilt ohnehin seit Langem als umstritten.

(RP)
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