Berlin "Niederländer sind gelassener"

Berlin · Die Deutschen könnten von den Niederländern viel lernen, betont der FDP-Politiker Otto Fricke, Chef der deutsch-niederländischen Parlamentariergruppe im Bundestag, zum Auftakt des viertägigen Staatsbesuches von Königin Beatrix in Deutschland im Interview mit unserer Zeitung.

Niederländer gingen die Dinge ruhiger und gelassener an. Sie fragten weniger nach Ideologien, sondern mehr nach Pragmatismus. "Von ihrer Tradition herkommend, sind sie auch heute noch mehr Kaufleute", erläuterte Fricke. Vieles könnten die Deutschen auch den Themen entnehmen, mit denen sich die Niederländer beschäftigen. Das Nachbarland sei eben ein "schnelllebiger Mikrokosmos". Was auch immer dort thematisiert werde – in der einen oder anderen Form komme das alles auch nach Deutschland.

Fricke verwies als Beispiel auf die Drogenpolitik. Da hätten sich die Niederländer viel früher als die Deutschen gefragt, wie sie den Konsum tolerieren wollen. Inzwischen hätten sie auch schon vor den Deutschen die Erkenntnis gewonnen, dass sie auf diesem Feld "zu weich" gewesen seien. Deshalb drängten sie nun den Verkauf in Coffeeshops zurück. Das Thema Sterbehilfe sei in den Niederlanden eher angesprochen worden. Und die Integration habe "Jahre vor Sarrazin" in den Niederlanden bereits Pim Fortuyn in die Schlagzeilen gebracht. Auch das Gesundheitssystem mit einem privaten und einem gesetzlichen Zweig hätten die Niederländer zu einem "interessanten Kompromiss weiterentwickelt".

Obwohl die Niederländer nicht viel weiter von Japan entfernt leben als die Deutschen, halten sie an ihrer Absicht fest, nicht aus der Kernenergie auszusteigen, sondern zu dem bestehenden noch einen zweiten oder gar dritten Meiler zu bauen. Fricke: "Hier zeigt sich, dass Niederländer sich weniger als wir von Emotionen treiben lassen." Natürlich gebe es auch dort Diskussionen. "Aber die Niederländer wissen, dass ihr Land ohne gesicherte Energieversorgung den Bürgern keinen Wohlstand bieten kann."

In den Beziehungen gebe es derzeit eine "sehr, sehr gute Phase", betonte Fricke. Immer mehr Niederländer wohnten in Deutschland, immer mehr Deutsche studierten in den Niederlanden. Probleme gebe es damit, gegenseitig die Schulabschlüsse anzuerkennen und die Anwartschaften in den Sozialsystemen zu übertragen. Fricke empfahl der NRW-Regierung, sich ganz genau die Landeszuständigkeiten anzuschauen und bürokratische Hürden zwischen NRW und den Niederlanden abzubauen.

(RP)
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