Ärzte wollen höhere Honorare erzwingen Niedergelassene Ärzte drohen mit Streik

Berlin/Düsseldorf 75 Prozent von gut 50 000 niedergelassenen Ärzten haben bei einer Umfrage der Ärzteverbände für die Schließung ihrer Praxen ab kommender Woche gestimmt. Die Mediziner wollen damit vor den morgigen Verhandlungen mit den Krankenkassen über die Erhöhung ihrer Honorare den Druck auf die Kassen erhöhen.

Die Kassen reagierten mit Unverständnis auf die Streik-Drohung. Mit einem durchschnittlichen Brutto-Jahreseinkommen nach Abzug der Praxiskosten von über 160 000 Euro gehörten Ärzte zu den Gutverdienenden. Zudem kritisierten sie die Interpretation der Befragung: Da sich nur rund die Hälfte der 100 000 niedergelassenen Ärzte an der Umfrage beteiligt hätten, habe nur jeder Vierte für den Streik gestimmt, teilten die Kassen mit.

Bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten, Chirurgen, Urologen und Hautärzten ist die Streikbereitschaft der Abstimmung zufolge am größten, bei Kinder- und Augenärzten am geringsten. Die Hausärzte beteiligten sich nicht an der Umfrage, weil sie wegen Sonderverträgen mit den Kassen vom Honorarstreit nicht betroffen sind.

In dem Streit geht es um Milliarden Euro. Die Ärzte fordern von den Krankenkassen und damit von den Beitragszahlern die Erhöhung ihrer Honorare um 3,5 Milliarden Euro. Im dafür zuständigen Entscheidungsgremium wurde die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) unlängst jedoch vom Kassenverband und einem unabhängigen Vorsitzenden überstimmt. Nach dem Beschluss dieses Gremiums sollen die Ärzte 270 Millionen Euro zusätzlich erhalten. Die KBV hat gegen diesen Beschluss Klage eingereicht. Motiviert sind die Ärzte durch das derzeit satte finanzielle Polster, das sich bei den Kassen infolge der guten Konjunktur angesammelt hat.

"Das Maß ist voll", sagte Peter Potthoff, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVN). "Das Ergebnis der Urabstimmung zeigt deutlich, dass die Ärzte nicht mehr bereit sind, das Verhalten der Krankenkassen klaglos hinzunehmen." Sollten die Kassen den Ärzten nicht deutlich entgegenkommen, seien Praxisschließungen unvermeidbar. "Das wird dann leider auch die Patienten treffen und zu Unannehmlichkeiten und Wartezeiten führen", so Potthoff.

Bislang haben die Ärzte Druck aufgebaut, indem sie Anfragen der Kassen unbeantwortet lassen, die Bonushefte der Patienten nicht mehr abstempeln und die Versicherungen mit Massen-Faxen überhäufen. Zur Intensität möglicher Streiks sagte eine KVN-Sprecherin: "Schon jetzt ist klar, dass wir nicht nur in vereinzelten Regionen die Praxen schließen, sondern flächendeckend an einem oder mehreren Tagen streiken werden." Die Streiks sollen aus Rücksicht auf die Patienten frühzeitig angekündigt werden.

(mar)
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