Kiew Nationalisten unterwandern die ukrainische Opposition

Kiew · Auf Druck der ukrainischen Oppositionsführer haben radikale Demonstranten ihre Besetzung des Justizministeriums in Kiew beendet. Ressortchefin Jelena Lukasch hatte mit dem Ausnahmezustand gedroht, falls das Gebäude nicht geräumt würde. Der Vorfall zeigt: Die Regierungsgegner haben Mühe, den nationalistisch-militanten Flügel der Bewegung zu kontrollieren.

Am frühen Morgen waren radikale Anhänger der Organisation "Spilna Sprawa" ("Gemeinsame Sache") in das Justizministerium eingedrungen. "Wir haben die Türen eingeschlagen, drinnen waren nur zwei Wachleute. Die haben ihre Sachen genommen und sind gegangen", erzählt ein Aktivist mit dem Kampfnamen Leon. Das Justizministerium sollte Demonstranten als Nachtlager und Wärmestube dienen, hatten die Aktivisten von "Spilna Sprawa" erklärt. Noch am Vormittag bewachen vier Maskenmänner mit Helmen und Knieschonern den Eingang. In einem Fenster stapelt sich zertrümmertes Inventar. Über die Drohung der Justizministerin mit dem Ausnahmezustand können Leon und seine Freunde nur lachen: "Welche Justizministerin? Für uns gibt es keine Regierung mehr!" Die Organisation "Spilna Sprawa", die sich einst für eine faire Besteuerung kleiner Unternehmen starkmachte, hat sich offenbar radikalisiert.

Dazu gewinnt das offen nationalistisch-faschistische Lager an Dominanz. Ein Bündnis namens "Prawyj Sektor" ("Rechter Sektor") stellt viele der gewaltbereiten Demonstranten, die sich in der Gruschewski-Straße tagelang Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Der "Rechte Sektor" hat sein Stabsquartier im fünften Stock des besetzten Gewerkschaftshauses am Kiewer Unabhängigkeitsplatz. Ein Schild an der Tür propagiert "Sport, Gesundheit, Nationalismus".

Der Chef der Bewegung, Andrej Tarasenko, sprach in einem Interview über das Ziel seiner Organisation: "Uns ist es egal, ob ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterschrieben wird oder nicht. Wir wollen mit einer nationalen Revolution das Regime der inneren Okkupation kippen." Das Verhältnis der nationalistischen Kräfte zu gemäßigten Oppositionsführern beschreibt Tarasenko so: "Wir stellen ihnen Forderungen, die sie dann ausführen."

(RP)
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