Münchner Sicherheitskonferenz Ein Ballon voll Diplomatie

MÜNCHEN · Bei der Münchner Sicherheitskonferenz verspricht China eine Friedensinitiative für die Ukraine. US-Vizepräsidentin Kamala Harris betont den Beistandspakt der Nato. Appell im Saal: „Die Ukraine muss gewinnen.“

Traf auch Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande der Sicherheitskonferenz: Chinas Chefdiplomat Wang Yi

Traf auch Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande der Sicherheitskonferenz: Chinas Chefdiplomat Wang Yi

Foto: dpa/Thomas Kienzle

Staatsrat Wang Yi ist ein Mann des gewählten Wortes. Mit dem Zustand der Welt ist der Diplomat seit längerem nicht zufrieden, aktuell schon gar nicht. „Die Welt ist immer noch nicht zu einem sicheren Ort geworden“, sagt der außenpolitische Chefberater von Chinas mächtigstem Mann, Präsident Xi Jinping. Wang Yi war vorher Außenminister, aber nun ist er als Direktor des Büros der Kommission für Außenpolitik des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas noch näher an Xi herangerückt. Was Wang sagt, hat Gewicht. Es dürfte derzeit vor allem auch in Moskau genau registriert werden.

Auf der Bühne der Münchner Sicherheitspolitik verschickt Wang eine Botschaft, über die Russlands Präsident Wladimir Putin zumindest nachdenken dürfte, weil sie aus China kommt. „Die Souveränität und territoriale Integrität aller Staaten muss gewahrt werden.“ Die Nachricht dahinter: Auch die territoriale Integrität der Ukraine müsse gewahrt werden, was nichts anderes bedeuten würde, dass Russlands Streitkräfte ukrainisches Territorium verlassen müssten. Wer daran aktuell glaubt?

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wird später sagen: „Putin plant nicht für den Frieden. Er plant für den Krieg und für weitere Offensiven.“ Es gebe keine risikofreien Optionen. „Aber das größte Risiko besteht darin, dass Putin in der Ukraine gewinnt.“ Wang wird an diesem Tag in München noch ein Hoffnungssignal aussenden. Die Weltmacht China werde bald eine Friedensinitiative für die Ukraine vorschlagen. „Wir werden etwas vorlegen“, sagt Wang allgemein. Wann? Ende der Woche gibt es eine Gelegenheit – bei der UN-Generalversammlung in New York. Wenn China in dieser Sache „etwas“ vorlegt, dann hätte dies Gewicht. Die chinesische Position lasse sich herunterbrechen auf die Unterstützung von Friedensgesprächen. Alle, „besonders unsere Freunde in Europa“, müssten „ruhig nachdenken“, wie dieser Krieg beendet werden könnte, so Wang Yi.

Gleichzeitig macht Chinas Chefdiplomat deutlich, dass Peking von seiner Ein-China-Politik nicht ablassen werde, siehe „Souveränität und territoriale Integrität“. Wang warnt vor Spannungen in der Straße von Taiwan. Und Wang nennt die US-amerikanische Reaktion auf die Ballon-Krise „absurd und hysterisch“. Der Ballon sei ein „unbemanntes Flugobjekt ziviler Natur“ gewesen, kaum lenkfähig, das unabsichtlich von seinem Kurs abgekommen sei. Für die USA war es ein chinesischer Spionageballon. US-Kampfjets schossen ihn schließlich ab. Wang: „Dies ist für uns inakzeptabel.“ Gegenseitiger Respekt, friedliche Koexistenz und Zusammenarbeit – so könnten zwei Länder unterschiedlicher Systeme nebeneinander existieren.

Gut eine Stunde nach Wang Yi spricht die höchste Repräsentantin der US-Regierung bei dieser Sicherheitskonferenz, Vize-Präsidentin Kamala Harris. Sie hat eine Ansage an Peking mit dabei. Harris warnt China davor, Russland in dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Waffen zu unterstützen. „Es steht zu viel auf dem Spiel.“ Es werde noch „dunkle Tage“ für die Ukraine geben, doch die USA stünden an ihrer Seite. Russland sei geschwächt und die Nato sei so stark wie nie. Damit Moskau weiter weiß, dass es sich keinen Fehler erlauben darf, was die Verletzung von Grenzen des nordatlantischen Bündnisses angeht, schiebt sie noch hinterher: „Artikel 5 ist eisern.“

In Artikel 5 ist der Beistandspakt der Nato festgelegt. Ein Angriff gegen eines seiner Mitglieder gilt als Angriff auf alle. Auch Schweden und Finnland, über Jahrzehnte traditionell bündnisneutral, drängen inzwischen in die Nato. Wenn alles gut läuft, werden sie beim nächsten Nato-Gipfel im Juli in Vilnius als Mitglieder aufgenommen. Finnlands Regierungschefin Sanna Marin sagt in München, als Russland die Ukraine überfallen, habe ihr Land beschlossen, es wolle frei und unabhängig bleiben. „Für uns ist es ein Akt des Friedens, sich der Nato anzuschließen“, so Marin.

Vorsicht, Weimarer Dreieck! Aufgepasst Russland! Es ist auch eine Botschaft an Wladimir Putin, die Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Polens Präsident Andrzej Duda aus einem Nebenraum des Tagungshotels „Bayerischer Hof“ nach Moskau senden. Hinter ihnen die Flaggen ihrer Länder. Sie bilden gerade das sogenannte „Weimarer Dreieck“, das 1991 der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher mit seinen Amtskollegen als loses Konsultationsforum zwischen Deutschland, Frankreich und Polen gegründet hat.

An diesem Abend in München betont Scholz die Bedeutung dieses politischen Dreier-Treffens. Der Kanzler hat schon mehrfach in Richtung Putin gesagt: „Wage es nicht!“ Europa müsse sich einig sein und gemeinsam gegen Putin stehen. Macron erinnert an insgesamt bereits zehn Sanktionspakete des Westens gegen Putin, aber vor allem spricht Duda. Das polnische Staatsoberhaupt dankt Scholz und Macron für die Unterstützung ihrer Länder. Aber dies genüge noch nicht. „Wir unterstützen die Ukraine nach Kräften in ihrem Kampf um Freiheit.“

Polen hatte vor allem Scholz lange Zögerlichkeit bei der Abgabe von „Leopard“-Kampfpanzern vorgeworfen. Nun mahnt Duda erneut: „Ohne die Unterstützung der westlichen Länder wird die Ukraine fallen.“ Mehr noch: „Die Ukraine muss gewinnen.“ Wie hatte Finnlands Regierungschefin Marin noch gesagt? Autoritären Staaten wie Russland müsse gezeigt, dass sie zweimal darüber nachdenken, ob sie Gewalt anwenden.

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