Analyse Moskaus Propaganda gegen das "Maidan-Virus"

Moskau · Putins aggressive Rhetorik gegen den Westen soll von seinen innenpolitischen Unzulänglichkeiten ablenken. Seiner Version des Ukraine-Konflikts schenkt die Mehrheit der Russen Glauben.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier bemüht sich, mit seinem Krisen-Gipfel eine erneute Eskalation des Konflikts in der Ost-Ukraine zu verhindern. Deutschland und Frankreich als die treibenden Kräfte in der EU sehen es als ihre Verantwortung, zwischen Kiew und Moskau zu vermitteln. Nach Beratungen mit seinen Kollegen aus Russland, Frankreich und der Ukraine erklärte Steinmeier, dass spätestens am Samstag Verhandlungen über eine dauerhafte beidseitige Waffenruhe beginnen sollen. Die Frage ist nur, ob der Kreml an solchen Vermittlungen Interesse hat.

Gerade hat Wladimir Putin vor Diplomaten noch einmal seine Weltsicht erläutert. Russland betrachtet die Ereignisse in der Ukraine als ein Zeichen für die "Politik der Beherrschung" des Westens. Es musste die Krim annektieren, um sich den Zugang zum Schwarzen Meer zu erhalten und die Präsenz von Nato-Truppen auf der Halbinsel zu verhindern. Moskau musste zudem die Interessen und Rechte der russischsprachigen Bevölkerung verteidigen - und wird dies auch weiterhin tun. Kompromissbereitschaft geht anders.

Gern stellt Putin die geopolitische Motivation für sein Handeln in den Vordergrund: Russland muss sich der Dominanz des Westens entgegenstemmen. Durch eine gigantische Propaganda-Kampagne und die populäre Annexion der Krim hat der Kreml eine ideologische Brandmauer gegen das Überspringen des "Maidan-Virus" auf Russland geschaffen.

Die Erfahrung des Arabischen Frühlings zeigt: In einem durch Kultur und Sprache verbundenen Raum, in dem immer mehr Menschen mit ähnlichen politischen und wirtschaftlichen Missständen unzufrieden sind, können sich Revolutionen rasch ausbreiten. Doch nach der Maidan-Revolution und dem Machtwechsel in der Ukraine herrscht in Russland keine Spur von Proteststimmung. Putins Popularitätswerte liegen bei 83 Prozent. Höher waren sie mit 88 Prozent nur nach dem Georgien-Krieg 2008. Denn den Russen gefällt es, wenn ihr Land Krieg führt.

Das kremlgesteuerte Fernsehen hat die russischen Bürger mit seiner Version der Ereignisse in der Ukraine indoktriniert: Demnach sind in Kiew bei einem gewaltsamen Putsch Faschisten an die Macht gekommen. Die Demonstranten, die zu Hunderttausenden monatelang auf dem Maidan ausharrten, seien von den USA bezahlt. Die "faschistischen Machthaber" planten den Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung im Süden und Osten. Deshalb sei es richtig, wenn Russland die Separatisten unterstütze.

Diese Ansichten vertritt die überwältigende Mehrheit der Russen. "Krym nasch" ("Die Krim ist unser") - dieser Schlachtruf steht für die neue, national-chauvinistische Haltung. Sie täuscht die Russen darüber hinweg, dass in ihrem Land unter Putin wichtige Reformvorhaben versäumt werden, dass die Wirtschaft schrumpft, dass Korruption blüht. Der Kreml aber braucht den Konflikt in der Ukraine, um den selbst geschaffenen Mythos weiter aufrechtzuerhalten.

(hei)
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