Putin entlässt Jelzins einflussreiche Tochter Moskau: Interimspräsident setzt mehr als 40 Gesetze in Kraft

Moskau (dpa). Nur wenige Tage nach dem Machtwechsel in Russland hat Interimspräsident Wladimir Putin am Montag die einflussreiche Tochter von Boris Jelzin, Tatjana Djatschenko, als Beraterin im Kreml entlassen. Zugleich entfernte Putin per Erlass drei stellvertretende Administrationsleiter sowie Jelzins Sprecher Dmitri Jakuschkin aus ihren Ämtern.

Die 39-jährige Djatschenko war seit Jelzins Wiederwahl zum Präsidenten Russlands 1996 die Image-Beraterin ihres Vaters und galt als "graue Eminenz" im Kreml. Russische Medien hatten Djatschenko und dem mit ihr befreundeten Finanzmagnaten Boris Beresowski großen Einfluss auf die Entscheidungen Jelzins nachgesagt. Jelzin war am Silvestertag 1999 überraschend zurückgetreten.

Immer wieder gab es Spekulationen über angebliche Villen in Frankreich und Deutschland sowie schnelle Luxusboote Djatschenkos, die von russischen Zeitungen auch "Kreml-Prinzessin" genannt wurde. Sie stand auch im Mittelpunkt der Korruptionsvorwürfe gegen die Jelzin-Familie im Sommer. In der Schweiz sollen nach Medienberichten von der Baufirma Mabetex ausgestellte Kreditkarten auf ihren Namen gefunden worden sein. Mabetex hatte lukrative Aufträge für die Renovierung des Kremls erhalten.

Foto: Vladimir Putin.

Eine der ersten Amtshandlungen Putins als Interimspräsident war die Unterzeichnung eines Erlasses, mit dem Jelzin Immunität vor eventueller Strafverfolgung gewährt wird. Die Immunität erstreckt sich nicht ausdrücklich auf Jelzins Familienangehörige.

Zugleich entließ Putin neben Jakuschkin auch die stellvertretenden Administrationsleiter, Wladimir Schewtschenko, Waleri Sementschenko und Wladimir Makarow. Schewtschenko und Sementschenko seien zu Beratern Putins ernannt worden, meldete Itar-Tass unter Berufung auf den Kreml-Pressedienst. Kreml-Stabschef Alexander Woloschin, der sein Amt behielt und ebenfalls zu dem Kreis einflussreicher Figuren um Jelzin und Djatschenko gerechnet wurde, habe Jakuschkin zum Berater der Präsidenten-Administration ernannt.

Die vorgezogenen Präsidentenwahlen in Russland können auch früher als der ursprünglich genannte 26. März abgehalten werden. Das erklärte der Oberste Verfassungsrichter Russlands, Marat Baglai, nach einem Treffen mit Putin. Der 47-jährige Putin genießt gegenwärtig in Russland hohe Popularität und gilt als klarer Favorit für die Wahlen.

"Putin könnte den Föderationsrat bitten, ein früheres Datum für die Präsidentenwahlen festzulegen", sagte Baglai am Montag. Der Föderationsrat, die Vertretung der Regionen, wird möglicherweise noch in dieser Woche zusammenkommen, um ein Datum für die Präsidentenwahlen festzulegen. Nach Baglais Angaben ist die in der Verfassung festlegte Frist von drei Monaten für Neuwahlen nur der äußerste Rahmen. Bei einem Wahltermin vor Ablauf dieser Frist gebe es in der Verfassung "einige Unklarheiten".

Nur zwei Tage nach dem Rücktritt Jelzin demonstrierte Putin Aktivität und setzte am Sonntag mehr als 40 vom Parlament verabschiedete Gesetze in Kraft, darunter den Unionsvertrag zwischen Russland und Weißrussland.

Putin telefonierte am Montag mit mehreren Präsidenten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und traf Zentralbankpräsident Viktor Geraschtschenko zu einem Gespräch über die finanzielle Lage des Landes. Der Machtwechsel im Kreml bedeute keinen Schock für die russische Wirtschaft, sagte Geraschtschenko.

Der ehemalige Präsident Boris Jelzin verbrachte nach eigenem Bekunden unmittelbar nach seinem überraschenden Rücktritt "eines der glücklichsten Neujahrsfeste". Lediglich das Telefon habe seine Ruhe mehrfach unterbrochen, da ihn zahlreiche Politiker aus dem In- und Ausland angerufen hätten, berichtete die Agentur Interfax. Die übrige Zeit habe Jelzin mit seiner Familie beim Spazieren und Fernsehen verbracht.

Der Abschied Jelzins aus dem Kreml war jedoch nicht endgültig. Wie sein früherer Sprecher Jakuschkin erklärte, sei für Jelzin im Kreml weiterhin ein "voll ausgestatteter Arbeitsraum" reserviert. Dort könne der Ex-Präsident unter anderem informelle Treffen abhalten. Jelzin will nach Angaben Jakuschkins an diesem Donnerstag und Freitag zum christlich-orthodoxen Weihnachtsfest in die palästinensische Autonomie-Stadt Bethlehem (Westjordanland) reisen. Putin werde in Moskau bleiben, hatte Jakuschkin gesagt.

(RPO Archiv)
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