Mordeten Neonazis bundesweit? Polizei prüft Spur nach Düsseldorf

Polizisten entdeckten im Nachlass der Zwickauer Neonazi-Bande die Pistole, mit der neun Ausländer getötet wurden ("Döner-Morde"). Auch eine Verbindung zum blutigen Düsseldorfer Wehrhahn-Anschlag im Jahr 2000 gilt als möglich.

Zwickau/DÜSSELDORF Bundesanwaltschaft und Polizei sind offenbar einer beispiellosen Mordserie mit rechtsextremem Hintergrund auf der Spur: Nach Einschätzung von Ermittlern gehen sowohl die Tötung einer Polizistin in Heilbronn im April 2007 als auch die sogenannten Döner-Morde, denen von 2000 bis 2006 bundesweit acht Türken und ein Grieche zum Opfer gefallen waren, auf das Konto einer rechtsextremistischen Gruppierung. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen zu den insgesamt zehn bislang bekannten Morden. Ebenso wurde bekannt, dass die Polizeibehörden eine mögliche Verbindung der Neonazi-Bande zu den Bombenanschlägen auf den Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn am 27. Juli 2000 und in der Kölner Keupstraße am 9. Juni 2004 untersuchen.

Bei dem Düsseldorfer Anschlag war 2000 ein in einer Plastiktüte versteckter Sprengsatz in einer Gruppe jüdischer Aussiedler explodiert. Zehn Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Eine Frau verlor ihr ungeborenes Kind.

Aus Polizeikreisen hieß es gestern: "Der Wehrhahn-Anschlag könnte ins Raster passen." Bei dem Düsseldorfer Anschlag wurde ein Sprengsatz mit verunreinigtem Sprengstoff aus sowjetischer Produktion verwendet. Derartige Substanzen seien besonders in den neuen Bundesländern leicht zu erhalten gewesen, hieß es. Die Neonazi-Bande hatte in Thüringen für Anschläge Rohrbomben gebaut. In der Kölner Keupstraße war 2004 ein solcher, mit Nägeln gefüllter Sprengsatz in einer vorwiegend von Ausländern bevölkerten Gegend explodiert.

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) bestätigte die Untersuchungen in seinem Bundesland und warnte bereits vor "einem neuen Rechtsterrorismus".

Auf den überraschenden Zusammenhang zwischen der Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn und der Mordserie an ausländischen Geschäftsleuten waren die Ermittler bei der Durchsuchung einer ausgebrannten Wohnung in der sächsischen Stadt Zwickau gestoßen. Eine dort lebende 36 Jahre alte Frau aus der ostdeutschen Neonazi-Szene namens Beate Z. hatte die Explosion herbeigeführt, vermutlich um Spuren zu verwischen. Dennoch fanden Polizeibeamte in dem teilweise abgebrannten Haus die Pistole der tschechischen Marke Ceska, Typ 83, Kaliber 7,65 Millimeter, mit der die neun ausländischen Kleinunternehmer erschossen worden waren.

Außerdem wurden Drohbriefe und DVDs mit nationalsozialistisch gefärbten Parolen entdeckt, die vor allem an muslimische Institutionen adressiert waren. Die Propaganda-Videos auf den DVDs beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen "Nationalsozialistischer Untergrund" und enthalten Hinweise zu den "Döner-Morden".

Mit Beate Z., die sich einen Tag nach der Explosion der Polizei stellte, hatten in der Wohnung die beiden 34 und 38 Jahre alten Uwe M. und Uwe B. gelebt, deren Leichen vor einer Woche in einem ausgebrannten Wohnmobil in der thüringischen Stadt Eisenach gefunden worden waren. Die Männer sollen eine Bank in Eisenach überfallen haben. Laut Polizei begingen sie Selbstmord, nachdem das Wohnmobil von Beamten umstellt worden war. Zuvor zündeten sie das Fahrzeug noch an.

In dem Wrack fand die Polizei die Dienstwaffen der getöteten Heilbronner Polizistin und ihres Kollegen, der den Überfall schwer verletzt, aber nach seinem Kopfschuss ohne Erinnerung überlebt hatte. Die Heilbronner Spur führte schließlich zu den bundesweiten Ermittlungen, die jetzt auch NRW erreicht haben.

Ungelöst ist die Frage, ob die Neonazi-Bande drei Tage vor ihrem letzten Bankraub im nahe gelegenen Döbeln auch den 41-jährigen Besitzer des Döner-Imbisses "Aladin" getötet hat. Er war von einem unbekannten Maskierten erschossen worden.

Operierte also von Sachsen aus eine Art "Braune-Armee-Fraktion", eine rechte Terror-Organisation? Das Trio, das mit den Morden in Verbindung gebracht wird, gehörte zum rechtsextremen "Thüringer Heimatschutz". Die Gruppe, die von einem V-Mann des Verfassungschutzes geleitet worden sein soll, tauchte nach Angaben des thüringischen Innenministeriums 1998 unter, nachdem in Jena ihre Bombenwerkstatt ausgehoben worden war. Bei diesem Einsatz soll es eine gravierende Panne gegeben haben, wie der Berliner "Tagesspiegel" unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet. Demnach legte die Polizei der tatverdächtigen Beate Z. einen Durchsuchungsbefehl vor. Obwohl die Polizei in der Garage vier Rohrbomben fand, sei auf eine Festnahme von Z. weiter verzichtet worden.

(RP)
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