Bonn Moralische Appelle allein reichen nicht

Bonn · Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche warnt vor zu vielen Durchhalteparolen und will mehr Jüngere in Gremien einbinden.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat gestern Selbstkritik an "moralischen Durchhalteparolen" in Bezug auf die Flüchtlingspolitik geübt. In seinem Ratsbericht zu Beginn der EKD-Synode in Bonn sprach er davon, dass die Anregungen zu einer offenen Flüchtlingspolitik und zur tatkräftigen Nächstenliebe bei der Begleitung der Integration von Flüchtlingen von manchen Menschen als "moralisch unter Druck setzende Durchhalteparolen" empfunden worden seien.

Zwar halte er die Positionen der Kirche etwa zur Obergrenze und zum Familiennachzug nach wie vor für richtig. Doch dürften diese Positionen nicht als "moralische Imperative" verstanden werden. Die freie Gewissensbildung, die Anstrengung einer qualifizierten ethischen Urteilsbildung hätten an gesellschaftlicher Akzeptanz verloren. "Selten war das authentische Glaubenszeugnis von Christen im Diskurs mit einer verunsicherten pluralistischen Öffentlichkeit so wichtig wie in diesen Zeiten", sagte er zu den rund 120 Synodalen, die noch bis Mittwoch in Bonn tagen. Die EKD-Synode ist das Kirchenparlament der evangelischen Kirche.

Bedford-Strohm nannte in seinem Ratsbericht die Ökumene und die Jugendarbeit als zentrale Impulse aus dem zurückliegenden Reformationsjubiläum. Bei der Zusammenarbeit mit den katholischen und orthodoxen Kirchen hob er das gewachsene Vertrauen hervor.

Er regte an, dass die Synode darüber sprechen sollte, wie man junge Menschen stärker in die kirchlichen Gremien einbinden könne - etwa in Form von Jugendquoten bei Synoden. Auch bei der Ansprache junger Menschen müsse man sich noch mehr von der Lebensrealität junger Menschen leiten lassen. Heute sagten junge Menschen nicht mehr "Ich glaube nur, was ich sehe", sondern "Ich glaube nur, was ich fühle." Doch das würden sie häufig nicht mit religiösen Inhalten verbinden. Insgesamt müsse man überlegen, wie man auch mit Menschen ins Gespräch kommt, die der Kirche fernstehen, betonte die Präses der Synode, Irmgard Schwaetzer, in ihrem Bericht. Die Kirche brauche weiterhin Neugier.

Die Synode findet parallel zum Weltklimagipfel statt. "Wir müssen uns in dieser Frage auch im politischen Bereich zu Wort melden", sagte Bedford-Strohm.

(heif)
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