Siegburg Schwaches Ergebnis für neue Grünen-Chefin

Siegburg · Mona Neubaur wird mit einem gerade noch akzeptablen Resultat neue Co-Chefin der NRW-Grünen. Ihre Rede vor dem Landesparteitag war farblos. Doppelspitzen-Partner Sven Lehmann zeigte mehr Profil - und gewann furios.

Mona Neubaur (36) ist neue Co-Landeschefin der Grünen in NRW. Die Delegierten des Landesparteitages wählten die gebürtige Bayerin, die sich im Rheinland als Chefin der Düsseldorfer Grünen einen Namen gemacht hat, gestern in Siegburg an die Spitze des mitgliederstärksten Landesverbandes der Grünen in Deutschland.

Allerdings erhielt Neubaur nur 77,2 Prozent der Stimmen. Das schwache Ergebnis fiel auf, zumal es für die studierte Soziologin keinen Gegenkandidaten gab. Neubaurs Vorgängerin Monika Düker, die nach vier Jahren im Amt nicht wieder für den Landesvorsitz kandidiert hatte, wurde beim letzten Parteitag in Duisburg noch mit 81 Prozent der Stimmen gewählt. Wahlergebnisse von 80 Prozent gelten für Mitglieder eines geschäftsführenden Parteivorstandes als normal.

Zweiter Teil der bei den NRW-Grünen traditionellen Doppelspitze bleibt Sven Lehmann (34), den die Delegierten mit einem furiosen Ergebnis von 94,5 Prozent im Amt bestätigten. Lehmann wird dem linken Parteiflügel zugerechnet, der sich auch rot-rot-grüne Bündnis-Gedankenspiele erlaubt. Neubaur gilt als Teil des realpolitischen Flügels, der potenziell auch für schwarz-grüne Bündnisse offen ist.

Die begeisterte Anhängerin der Düsseldorfer Fortuna-Fußballer bewarb sich mit einer sehr vorsichtigen Rede um ihr Spitzenamt. Sie vermied jegliche Positionierung zu innerparteilichen Streitthemen. Stattdessen sagte sie Sätze wie "Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt" und "Wenn in einem Backhähnchen eine Fischgräte steckt, stimmt etwas nicht". Sie will "in NRW das Steuer herumreißen". Ihr Ziel: "Ich will erleben, dass in 30 Jahren auf einer Landeskonferenz hier oben ein Mensch steht, der davon erzählt, dass wir es waren, die die Dinge zum Besseren gewendet haben." Nicht alle Delegierten folgten der Rede aufmerksam. Aber am Ende spendeten sie höflichen Applaus.

Ganz anders Sven Lehmann, der seit 2010 an der Spitze der NRW-Grünen steht. Lehmann bezog in einer kämpferischen Rede klare Positionen. Gegen "die Energieriesen und die Kartelle der Automobilindustrie, die Innovationen verhindern", zum Beispiel. Das war eine gezielte Provokation des Düsseldorfer Koalitionspartners SPD, der sich zuletzt viel auf sein Engagement für die Energiewirtschaft und die Automobilwirtschaft zugute gehalten hat. Und während Schulministerin Sylvia Löhrmann sich in der Frage "längere oder kürzere Gymnasial-Schulzeit" noch nicht festlegen will, vertritt Lehmann auch hier bereits eine Position: "Die Beschleunigung der Schul- und Studienzeiten führten dazu, dass eine ganze Generation zu viel opfern musste für das Heilsversprechen schneller Karrieren." Zugleich vermied er die Fundamentalisten-Falle: "Wir Grünen sind nicht die besseren Menschen. Man darf Politik nicht mit Moral verwechseln." Politik sei nicht dazu da, die Menschen zu verändern. Aber die Wirtschaft: "Eine Industrie zulasten der Umwelt darf einfach nicht mehr profitabel sein" - so sprach sich Lehmann indirekt für schärfere Sanktionen gegen einen Teil der NRW-Wirtschaft aus.

Zur neuen Geschäftsführerin wurde Marianne Weiß aus Bielefeld gewählt. Durchgefallen als Landesschatzmeister ist Jo Schroers aus Mönchengladbach, der sich als einziges Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes einer Kampfkandidatur stellen musste. Dabei setzte sich der Bochumer Wolfgang Rettich durch. Schroers beantwortete die Ohrfeige mit zitternder Stimme: "Ich war 19 Jahre euer Schatzmeister. Es war mir eine Ehre."

Monika Düker verabschiedete sich mit einer emotionalen Rede vom Vorsitz. Den Orkan der vergangenen Woche, bei dem sechs Menschen starben, wertete sie als Beleg für den Klimawandel und die Notwendigkeit einer Politik des Gegensteuerns. Die Delegierten feierten Düker mit stehendem Applaus. Sie bleibt einfache Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag und konzentriert sich dort auf innenpolitische Themen. Parteiintern wird gemunkelt, dass Düker schon bald wieder ein Spitzenamt übernehmen wird.

Programmatisch stand der Parteitag unter dem Leitantrag "ländliche Räume". Die NRW-Grünen wollen ihr Image als Großstadtpartei loswerden und die Fläche erobern. Dabei setzen sie auf Kampagnen gegen die Massentierhaltung, mehr Naturschutz und wohnortnahe Bildungseinrichtungen auf dem Land. Unter anderem sollen konfessionelle Bekenntnisgrundschulen leichter in Gemeinschaftsgrundschulen umgewandelt werden können.

(RP)
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