Arbeitsmarkt profitiert von rüstige Rentnern Modell Holland: Zeitarbeit für Senioren

Arnheim (rpo). Holland könnte in Sachen Arbeitsmarkt wieder einmal Schule machen. Denn alle sind zufrieden: Rentner mit ihrem neuen Job, für den sie außerdem wenig Lohnsteuerzahlen, die Arbeitgeber erfreuen sich an billigen Arbeitskräften. Die niederländischen Zeitarbeitsfirmen haben die Pensionäre entdeckt.

Herr Brinksma ist zufrieden. Seit dem 1. August arbeitet der 65-Jährige als Projektmanager bei einer Arnheimer Wohnungsbaugesellschaft. Ein bis zwei Tage in der Woche überwacht, koordiniert und beurteilt der pensionierte Bauingenieur, der Ende 2000 seine "offizielle" Berufslaufbahn beendete, diverse Bauvorhaben. "Ich glaube, dass auch mein Arbeitgeber mit mir zufrieden ist. Ich werde geachtet und wegen meiner Kompetenz geschätzt", freut sich der rüstige Rentner.

Über eine Zeitarbeitsfirma ist Brinksma an seinen neuen Job gekommen. Neben Kilometervergütung und Telefongeld erhält der Senior "ein seiner Berufsgruppe angemessenes Gehalt". "Der generelle Mindestlohn beträgt 15 Gulden brutto. Studierte Arbeitnehmer wie Herr Brinksma erhalten entsprechend mehr", sagt Jacqueline van der Geest, Filialleiterin der erst kürzlich in Arnheim etablierten Arbeitsvermittlung "65+". "Der Vorteil für Senioren: Sie können unbegrenzt dazu verdienen und zahlen lediglich die Lohnsteuer von minimal 14,65 Prozent. Der Vorteil für Arbeitgeber: Senioren sind billig, da die ansonsten fälligen Arbeitgeberbeiträge wie Sozialversicherung etc. wegfallen", so die Vermittlerin.

Seit Eröffnung der Filiale Mitte März diesen Jahres haben sich 120 Senioren (zwei Drittel Männer, ein Drittel Frauen) zwischen 65 und 79 Jahren als potenzielle Arbeitskandidaten eingeschrieben. 25 von ihnen konnten inzwischen vermittelt werden. Das es erst so wenige sind, begründet van der Geest mit den teilweise sehr speziellen Wünschen und schlecht vermittelbaren Berufsausbildungen ihrer Schützlinge. "Ein Übersetzer mit Schwerpunkt Japanisch, der nur diese Tätigkeit anstrebt hat bei uns kaum eine Chance", räumt van der Geest ein.

Die besten Chancen haben - wie bei der üblichen Arbeitsvermittlung - diejenigen, die Bereitschaft zur Flexibilität mitbringen. So wie die drahtigen Mittsechziger, die während der Sommersaison, sieben Mal in der Woche zwei bis drei Stunden täglich die Sanitäranlagen eines Campingplatzes reinigen. "Was nicht heißen soll, dass wir nur Putzkräfte vermitteln", sagt van der Geest. Auch Taxifahrer und Chauffeure, Sekretärinnen, Buchhalter und Wachpersonal würden von den Unternehmen immer wieder angefragt. Arbeitgeber reagierten positiv auf das "hochmotivierte", ältere Personal, so die Managerin. "Für sie sind diese Mitarbeiter oft loyaler und pflichtbewusster als jüngere."

Seit nunmehr 26 Jahren ist die Seniorenvermittlung "65+" schon auf dem niederländischen Arbeitsmarkt aktiv. Dabei ist es nur eines von mehreren, im ganzen Land anzutreffenden Unternehmen, die diesen Service bieten. Was im Nachbarland schon Usus, ist in Deutschland noch Neuland. Auch hierzulande gibt es Einrichtungen, in denen ältere Mitbürger nach der Pensionierung noch einmal zum Zuge kommen. Zumeist jedoch werden die hier vermittelten Tätigkeiten beispielsweise in der Unternehmensberatung oder Existenzgründung nur mit einer Aufwandsentschädigung honoriert. Dem Bonner Bundesverband für Zeitarbeitsfirmen (BZA), dem rund 1 500 Firmen angehören, ist eine allein auf Senioren spezialisierte Vermittlung nicht bekannt: "Meines Erachtens gibt es nur nach Berufsgruppen gegliederte Zeitarbeitsunternehmen", sagte eine Sprecherin auf Anfrage.

(RPO Archiv)
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