Vorstellung des Wahlprogramms Mit welchen Inhalten die Grünen das Kanzleramt erobern wollen

Berlin · Konsequenter Klimaschutz, Rekordinvestitionen, mehr Sozialstaat, weniger Rüstung: Mit dem Entwurf ihres Wahlprogramms wollen die Grünen die Breite der Gesellschaft abholen und nach der Wahl das Kanzleramt besetzen.

 Robert Habeck und Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. (Archiv)

Robert Habeck und Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. (Archiv)

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Im September wollen die Grünen die Sensation schaffen und die neue Kanzlerin oder den neuen Kanzler stellen. Ob das Annalena Baerbock oder Robert Habeck sein soll, wollen die Parteivorsitzenden bis Pfingsten entscheiden. Für das Wahlprogramm gibt es jetzt einen ersten Entwurf, im Juni sollen die Delegierten bei einem Parteitag das Programm beschließen. Schwerpunkt im Vorschlag der Parteiführung ist der Klimaschutz. Doch ein Schlüsselvorhaben steht auf wackeligen Beinen. Ein Überblick:

Klimaschutz

Die Grünen räumen dem Schutz von Klima und Umwelt Priorität ein und wollen Deutschland „sozial-ökologisch“ umbauen. Einigen Zielwerten ordnen sie dafür viele andere Maßnahmen unter. So sei es notwendig, „auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen“, schreiben die Grünen mit Blick auf das Pariser Klimaschutzabkommen. Das ist ambitioniert, da die globale Erderwärmung bereits bei 1,2 Grad angelangt ist. Dafür wollen die Grünen den CO2-Ausstoß um 70 Prozent bis 2030 verringern, bislang liegt das Ziel bei einem Minus von 55 Prozent bis 2030 gegenüber der Ausstoßmenge von 1990. Zudem wollen die Grünen den CO2-Preis deutlich früher anheben, er soll 2023 bereits bei 60 Euro liegen. Nach derzeitigem Recht sind 55 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2025 geplant. Um die Menschen nicht zu überfordern, wollen die Grünen ein „Energiegeld“ einführen, über das alle zusätzlichen CO2-Einnahmen an die Menschen zurückgezahlt werden sollten. Davon soll jeder profitieren, und zwar fair aufgeteilt pro Kopf. Weiter heißt es, auf diese Weise könne man mit Klimaschutz Geld verdienen, und es gebe einen sozialen Ausgleich. Vor  allem Geringverdiener und Familien würden entlastet und Menschen mit hohem Einkommen belastet. Gegen Plastikmüll in den Meeren will die Ökopartei laut Papier ein Sofortprogramm mit verbindlichen Zielen zur Müllvermeidung auflegen. Um das Klima zu schützen, soll vegetarische und vegane Ernährung attraktiver werden, etwa durch den reduzierten Mehrwertsteuersatz auch für vegane Milchalternativen.

Investitionen und Steuern

Damit das Land möglichst stabil aus der Corona-Krise kommt, wollen die Grünen ein umfangreiches Investitionsprogramm von 50 Milliarden Euro pro Jahr in diesem Jahrzehnt auflegen. Dazu sieht der Entwurf des Wahlprogramms eine Änderung der Schuldenbremse vor, damit Investitionskredite möglich werden. Jedoch braucht es dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Damit sind die Voraussetzungen für die Umsetzung dieses Kernprojekts der Grünen alles andere als sicher. Für zusätzliche Einnahmen wollen die Grünen – wie die SPD – Menschen mit hohen Einkommen und Vermögen stärker besteuern. Der Tarif der Einkommensteuer soll für Alleinstehende ab 100.000 Euro im Jahr bei 45 Prozent liegen, ab 250.000 Euro bei einem Spitzensteuersatz von 48 Prozent. Zudem wird im Programmentwurf für eine Vermögensteuer geworben. Sie soll ab zwei Millionen Euro pro Person gelten und ein Prozent jährlich betragen. Auch die SPD sieht eine Vermögensteuer vor.

Renten und Soziales

Das Rentenniveau wollen die Grünen bei 48 Prozent sichern. Die Riester-Rente soll durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzt werden. In ihn sollen alle einzahlen, die nicht aktiv widersprechen. Die Grünen fordern eine Bürgerversicherung für die Gesundheitsversorgung, die das bisherige System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ablösen soll. Beiträge sollen alle zahlen, auch Beamte, Selbstständige und Unternehmer sowie Abgeordnete. Die Grünen wollen Hartz IV abschaffen und durch eine unbürokratische Garantiesicherung ohne Sanktionen ersetzen. Die Anrechnung von Einkommen soll so gestaltet werden, dass zusätzliche Erwerbstätigkeit attraktiver wird. Zudem soll es eine Kindergrundsicherung geben, in der Kindergeld, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe gebündelt werden. Das Elterngeld wollen die Grünen länger, und zwar 24 Monate gewähren. Der Mindestlohn soll sofort auf zwölf Euro steigen. Es soll ein Recht auf Homeoffice geben, aber auch einen Arbeitsplatz im Unternehmen für alle Arbeitnehmer. Aus der Vollzeit soll eine Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden pro Woche werden.

Wohnen und Bauen

Die Grünen wollen den Erwerb von Wohneigentum fördern und dafür unter anderem die Maklerprovisionen bei zwei Prozent deckeln. Nach der Kritik an Äußerungen von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter zu Nachteilen von Einfamilienhäusern kommt dieser Begriff im Entwurf des Wahlprogramms nicht vor. Die Grünen wollen aber den Flächenverbrauch reduzieren und setzen auf „behutsame Nachverdichtung“. Die Grünen wollen die Mietpreisbremse entfristen und nachschärfen. Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzt werden.

Mobilität

Geht es nach dem Entwurf des Grünen-Wahlprogramms, sollen ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden dürfen. Der Kauf emissionsfreier Autos soll über ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer gefördert werden. Zudem wollen die Grünen die Dieselsubvention beenden und die Besteuerung von Dienstwagenbesteuerung ökologisch umbauen. Die Grünen wollen ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen, Kurzstreckenflüge sollen bis 2030 durch einen massiven Bahn-Ausbau überflüssig gemacht werden.

(jd/dpa)
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