Misereor-Schuldenreport 2023 Schulden erschweren Kampf gegen Hunger und Klimawandel

Berlin · Die finanzielle Lage vieler Entwicklungs- und Schwellenländer wird immer angespannter. So fehlen Mittel, um in eine bessere Zukunft zu investieren. Daher fordert das Entwicklungshilfswerk Misereor Schuldenerleichterungen von der Bundesregierung und Kompromisse mit China.

Die kritische finanzielle Lage vieler Staaten gefährdet den Kampf gegen Armut und Klimawandel.

Foto: dpa/Dong Jianghui

Für den Kampf gegen Armut und Klimawandel braucht es einen langen Atem. Und vor allem: viel Geld. Das Problem dabei: Viele Entwicklungs- und Schwellenländer ächzen so sehr unter ihrer Schuldenlast, dass kaum Investitionen in die Zukunft möglich sind. Zu dem Ergebnis kam der am Donnerstag in Berlin vorgestellte Schuldenbericht 2023 des katholischen Entwicklungshilfswerks Misereor und des deutschen Entschuldungsbündnisses Erlassjahr.de.

Laut aktuellem Report, der Zahlen zum Stichtag Dezember 2021 zugrunde legt, sind 136 Länder von 152 Staaten im globalen Süden kritisch verschuldet, 40 davon sehr kritisch. Das sind drei Mal so viele wie vor der Pandemie. Insgesamt leben rund 90 Prozent der extrem armen Menschen weltweit in kritisch oder sehr kritisch verschuldeten Ländern, heißt es im Bericht. Ein Schuldentreiber war den Autoren zufolge die Corona-Pandemie. Der russische Angriffskrieg und die Zinswende sorgen für neue Probleme. „Die Lage wird sich weiter verschlechtern. Die fiskalischen Spielräume sind in vielen Ländern stark begrenzt, die anfallenden Schuldendienstzahlungen befinden sich derzeit im Schnitt auf dem höchsten Wert seit Ende der 1990er-Jahre“, sagte Kristina Rehbein, Koordinatorin des Entschuldungsbündnisses Erlassjahr.de.

So machen Zinszahlungen für Staatsschulden etwa in Pakistan inzwischen knapp 40 Prozent der gesamten Staatsausgaben aus – da bleibt kaum Geld für Sozialsysteme oder den Kampf gegen den Klimawandel. Der Schuldenreport erlaubt auch eine Halbzeitbilanz zu den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, die 2016 verabschiedet und in der Agenda 2030 umgesetzt werden sollen. „Kredite waren ein wichtiger Finanzierungspunkt für die erste Hälfte“, sagte Rehbein. Nun müsse es dringend zu einer Umschuldung kommen. Doch: „Anstatt einen Ausweg aus der Blockade zu finden, sehen wir gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen China und den westlichen Staaten und Institutionen“, sagte Rehbein.

Nötig seien bilaterale Schuldenerlasse. Und da komme Deutschland eine Schlüsselrolle zu. „Statt allein von China Taten anzumahnen, sollten sich die G7-Länder auf Reformschritte konzentrieren, die sie selbst auf den Weg bringen können“, so Rehbein. Man müsse mit China an den Verhandlungstisch: Die westlichen Staaten könnten zustimmen, dass auch Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) Schulden erlassen und so im Gegenzug China zur Beteiligung bewegen.