Interview mit Thomas Oppermann "Mindestlohn schafft Wettbewerbsfähigkeit"

Berlin · Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann verteidigt die Sozialpolitik der großen Koalition und sagt einen Sieg gegen Portugal bei der Fußball-WM voraus.

 Thomas Oppermann.

Thomas Oppermann.

Foto: dpa

Herr Oppermann, am Montag wird die deutsche Nationalmannschaft ihr erstes WM-Spiel bestreiten. Wie geht die Partie gegen Portugal aus?

Oppermann Ich tippe auf ein 2:1 für Deutschland.

Holen wir den WM-Titel?

Oppermann Ich sage es mal so: Viertelfinale muss sein. Halbfinale wird schwer, aber wenn wir das schaffen, ist alles möglich.

Und nach dem Ende der Weltmeisterschaft im Juli steht dann auch der Mindestlohn ohne Ausnahmen?

Oppermann Der Mindestlohn kommt ohne Wenn und Aber. Das ist eine historische Leistung, die unsere Marktwirtschaft dringend nötig hat. Nicht nur, weil es für Millionen Menschen den kräftigsten Lohnzuwachs ihres Lebens bedeutet. Sondern weil wir damit auch Gerechtigkeit und Fairness auf dem Arbeitsmarkt herstellen.

Der Mindestlohn gilt also für alle?

Oppermann Der Mindestlohn gilt für alle ab 18 Jahren außer bei Praktika innerhalb des Studiums und der Berufsausbildung.

Aus der Union kommen weitere Forderungen nach Ausnahmen.

Oppermann Jede Ausnahme verstärkt die Anfälligkeit für Missbrauch. Deswegen sehe ich keinen Spielraum für Ausnahmen. Auch die Union muss sich an den Koalitionsvertrag halten, in dem wir den Mindestlohn klar vereinbart haben. Pflichtpraktika sind schon jetzt ohne zeitliche Beschränkung vom Mindestlohn befreit.

Für Saisonarbeiter und Taxifahrer wird der Mindestlohn auch gelten?

oppermann Natürlich! Einzelne Berufsgruppen herauszunehmen wäre schon rechtlich angreifbar. Im Übrigen glaube ich fest daran, dass wir nur mit dem Mindestlohn wieder fairen Wettbewerb herstellen können. Denn manche Geschäftsmodelle konnten sich bisher nur halten, weil Dumping-Löhne möglich waren.

Ärgern Sie sich über den Streit, der in der Union zum Mindestlohn tobt, oder nützt er Ihnen gar?

oppermann Ich finde es völlig normal, dass Politiker ihre Argumente austauschen. Klar muss aber sein, dass der Koalitionsvertrag gilt, den die Union und wir unterschrieben haben.

Keine Schadenfreude?

Oppermann Wir Sozialdemokraten haben während der vergangenen großen Koalition die Erfahrung machen müssen, dass solche Streitigkeiten innerhalb einer Koalition immer dem schaden, der sie anzettelt. Die SPD-Fraktion steht aus dieser historischen Erfahrung heute geschlossen hinter der großen Koalition.

Warum kommt es dann in den Umfrageergebnissen bisher nicht an, dass sich die SPD mit der Rentenreform, dem Elterngeld und dem Mindestlohn einen Wunsch nach dem anderen erfüllt?

Oppermann Wir sind dabei, das Vertrauen der Wähler von Grund auf zurückzugewinnen. Das geht nicht von heute auf morgen. Wir regieren solide, zuverlässig und zeigen den Menschen, dass ihnen die SPD in der Koalition mit der Union diese Erfolge gebracht hat.

Könnte es sein, dass Sie diese Erfolge zu früh feiern und sie der Wähler bis zur Wahl im Jahr 2017 vergessen hat?

Oppermann Das Regierungsprogramm ist kein Fahrplan für die nächste Bundestagswahl. Es wäre zynisch, den Mindestlohn oder die Rente mit 63 aus wahltaktischen Gründen zurückzuhalten. Wir halten, was wir versprochen haben. Das wird sich auch auszuzahlen.

Thema Europa: Was sagen Sie zu dem Poker um den nächsten Kommissionspräsidenten?

Oppermann Wir brauchen möglichst schnell eine handlungsfähige EU-Kommission und ein mehrheitsfähiges Personalpaket. Ich finde es zudem erstaunlich, dass so viele Konservative erhebliche Schwierigkeiten mit ihrem Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker haben. Das ist so erst nach der Wahl deutlich geworden.

Großbritannien hat im Streit um den Kommissionspräsidenten sogar gedroht, die Europäische Union zu verlassen.

Oppermann Großbritannien ist wichtig für die Europäische Union. Ohne die Briten wäre es für die EU enorm schwierig, ihren Einfluss in der Welt zu behaupten. Umgekehrt wäre ein Austritt für die Briten eine wirtschaftliche Katastrophe. Ich sehe die Drohung als ein politisches Manöver des angeschlagenen konservativen Regierungschefs David Cameron. Jetzt hält er die Aufstellung von Spitzenkandidaten für die Europawahl für völlig irrelevant - da steht er auf der falschen Seite des Demokratisierungsprozesses in Europa.

Finden Sie, dass Frau Merkel bei den Verhandlungen alles richtig macht?

Oppermann Die Bundeskanzlerin vertritt die Interessen von Deutschland ganz gut. Wie gut oder schlecht sie mit den Chefs ihrer konservativen Schwesterparteien zurechtkommt, möchte ich als Sozialdemokrat nicht beurteilen.

JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(jd, mar)
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